Die Lübecker beugten sich nicht.

Auf dem Nachhausewege von einer Versammlung begleiteten die beiden Reichsbannerfunktionäre Johannes Fick und Karl Käding den Führer der Lübecker Sozialdemokratie Dr. Julius Leber(der später im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 ermordet wurde). Unterwegs wurden sie von einer Rotte der die Lübecker Straßen unsicher machenden SA angefallen. Im Verlaufe der Abwehr des Überfalls, wo inzwischen auch Polizei zugegen war, die von ihrer Waffe Gebrauch machte, kam einer der SA-Angreifer ums Leben. Fick und Käding aber wurden zum Tode verurteilt, Käding zwei Tage später bereits in seiner Zelle ermor- det und Fick am 8. März 1934 hingerichtet.

Dr. Leber, der seit 1921 Schriftleiter des sozialdemokratischen- becker Volksboten war und den das Vertrauen der Lübecker Wähler in die Bürgerschaft und den Reichstag entsandte, verurteilten die dienst- fertigen Richter wegenpolitischen Raufhandels zu 2 Jahren Ge- fängnis. Kurz vor Beendigung seiner Strafhaft im Frühjahr 1935 über- führte man ihn aus dem braunschweigischen Gefängnis Wolfenbüttel in das berüchtigte Konzentrationslager Dachau . Die Wiederaufnahme seines Kampfes gegen die nazistische Schmach, als er nach Jahren frei- gelassen wurde, kann nicht besser bezeugt werden als mit der Tatsache, daß er zu dem Kreis des 20. Juli gehörte, wobei er sein Leben opferte.

Die Kieler hielten die Fahne hoch.

Ebenfalls um diese Zeit hauchte Christian Heuck sein Leben aus. Ihm, der hervorgegangen war aus der Landarbeiterschaft Dith- marschens und gewählt wurde zum Reichstagsabgeordneten Schleswig- Holsteins , hatten die Nazis schon lange das Schicksal zugedacht, welches sie ihm jetzt im Gefängnis zu Neumünster bereiteten. In diesem Falle warteten sie, wie so oft auch bei anderen Gelegenheiten, kein gericht- liches Urteil ab. Hier schien ihnen diese Komödie überflüssig. Wie seinen Freunden Fiete Lux, Ludwig Einicke und John Trettin, die im KZ Fuhlsbüttel in einen qualvollen Tod befördert wurden, er- sparten die Sadisten auch Christian Heuck nicht diese grausame Tortur.

Deutschlands Verderber haben diesen Männern das Sterben nicht leicht gemacht, nachdem ihr Leben ohnehin nicht auf Rosen gebettet war. Hat der blutbesudelte Faschismus versucht, seinen Opfern wenn sie nicht mehr sprechen konnten auch noch die Ehre abzuschneiden, indem er sie als Mörder und Diebe hinstellte, so darf diese Gemein- heit als mißlungen bezeichnet werden. Erhebend wird immer bleiben, daß diese Männer bis zu ihrem letzten Atemzug dem Volk den Geist vorlebten, den sie in jahrelanger politischer Betätigung propagiert hat- ten. Sie standen zu ihrer Überzeugung, bis der Tod ihnen die Fahne aus den Händen gleiten ließ. Tausende und aber Tausende jedoch standen bereit, die Fahne weiter zu tragen. Davon zeugte auch das Begräbnis Christian Heucks. Als seine treue Lebensgefährtin die Frei- gabe der sterblichen Überreste durchgesetzt und ihre Überführung nach Kiel veranlaßt hatte, fanden sich auf dem Kieler Urnenfriedhof Tau-

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