An einer Haltestelle stiegen drei Männer hinzu. Man beachtete sie kaum. Doch sie musterten nervös die einzelnen Fahrgäste. x

Plötzlich griffen sie in ihre Taschen, zogen Pistolen heraus und knall- ten in den vollbesetzten Wagen hinein. Frauen kreischten hell auf.

Du bist Andree, Du wirst jetzt erschossen!

Unter diesem Ruf richtete einer die Pistole auf Ernst Henning. Ich bin nicht Andree,ich bin Henning, rief dieser, und indem er sich als solcher zu legitimieren suchte, krachten mehrere Schüsse. Ernst Henning sank tödlich getroffen zu Boden, seinem Begleiter war ein Auge ausgeschossen, eine Lehrerin unter den Fahrgästen hatte einen Beinschuß.

Der Fahrer hatte den Wagen gestoppt, und im Entsetzen des Gescheh- nisses bemühte man sich um die Verletzten. In das Dunkel der Nacht hinaus, aus dem sie gekommen waren, stürzten die ruchlosen Mörder und verschwanden. Die feige Mordtat des Genickschußkommandos dul- dete kein Verbleiben.

Über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitete sich die Kunde von diesem beispiellosen Verbrechen. Zeitungen und Flugblätter riefen am Vormittag des 15. März in Hamburg zum Massenkampf gegen den Mordfaschismus auf. Nazis waren es, die mit Vorbedacht die furcht- bare Tat ausgeführt hatten. Die SA-Mörder Jansen, Bammel und Höckl- meier handelten im. Auftrag, der Nazipartei und ihres Gauleiters, des Ordensschwindlers Kaufmann. Zunächst bestritt die Leitung der Hitlerpartei, mit den Mördern irgend etwas gemein zu haben. Doch der Anschlag galt dem Volkstribunen Edgar Andree, auf den mehrere Attentate bereits fehlgegangen waren, und den zu beseitigen die Nazi- partei offen propagiert hatte.

Hitler selbst bekannte sich zu den Mördern, erklärte, daß er für die Tat Verständnis habe, und bestellte ihnen Rechts- anwälte zu ihrer Verteidigung.'

Hamburgs Arbeiterschaft forderte in den Betrieben und in riesigen Protestkundgebungen zum Widerstand gegen den Faschismus auf. Zur Sicherung des Lebens und Eigentums der Werktätigen wurde die

Schaffung eines Massenselbstschutzes

verlangt. Die Behörden dachten allerdings anders darüber. Ihre erste Maßnahme richtete sich gegen die Partei des Ermordeten. Demonstratio- nen, Kundgebungen und dieHamburger Volkszeitung wurden verboten. Mit vollem Recht stellte daraufhin die KPD fest: N

Alle diese Verbote werden erlassen, weil man verhindern möchte, daß das Volk die volle Wahrheit über den Mord- faschismus erfährt.

Am Tage der Einäscherung Ernst Hennings konnten der Empörung jedoch keine Schranken gesetzt werden. Zehntausende folgten-dem Er-

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