lange wohl das Nazigebäude noch halten kann, bis der Zusammenbruch offenkundig wird.
Wir wünschten den Tag herbei, daß der Vormarsch und baldige Einmarsch unserer Kriegsgegner einem sinnlos gewordenen Krieg und dem größten Verbrechen aller Zeiten an der Menschheit ein Ende bereiten möge. Wir alle liebten Deutschland , unser Volk, unsere Heimat und Familien und sahen doch keinen anderen Ausweg. Wir wußten, die Niederlage einer größenwahnsinnig gewordenen Klique von notorischen Verbrechern und Militaristen, war zwar auch die Niederlage unseres Vaterlandes; leider ließ sich jedoch das eine nicht vom anderen trennen. Die Gewinnung unserer eigenen Freiheit war dabei immer noch sehr problematisch, denn auch darüber waren wir uns klar, daß man uns rücksichtslos vor die Maschinengewehre jagen wird, wenn dazu noch Zeit und Möglichkeit bleibt.
Inzwischen kamen Fliegerangriffe auf München , bei denen man auch uns in die Splittergräben jagte. Mit besonderem Schrecken hörten wir auch von Angriffen auf Nürnberg ; lebten wir nun doch in der Ungewißheit, sind unsere Lieben zu Schaden gekommen, ist unsere Habe in Schutt und Asche gesunken? Die Heeresberichte wurden immer kritischer. Paris aufgegeben, die Alliierten auf dem Vormarsch zur deutschen Grenze. Werden sie dort Halt machen oder gleich ins Reich durchstoßen? Wird und kann die deutsche Kriegsmaschine sie noch einmal aufhalten? Das war für uns alle die erste und letzte Frage. Das Heranrücken der Alliierten, die fluchtartige Räumung des Elsaß , bedingte, daß die dortigen K.- Z.Lager geräumt werden mußten. In Ostpreußen , das gleichfalls von den Russen immer mehr bedroht wurde, ebenso in Schlesien , mußten ebenfalls die K.- Z.- Lager geräumt werden. Die Folge davon war, daß immer neuer Zugang nach Dachau kam. 48000 war die Zahl anfangs September 1944, wie sie mir von einem die Kartei bearbeitenden Lagerinsaßen benannt wurde. Und wie sahen diese Zugänge aus? Bei Besorgungen innerhalb des Lagers konnten wir die Elendsbilder sehen. Auf dem großen Appellplatz lagen diese Unglücklichen, verlumpt, verhungert, unfähig, sich oft vom Boden zu erheben. Bei solch einer Besorgung traf der mich führende Engländer 2 Häftlinge, es waren polnische Geistliche. Er konnte sich kurz mit ihnen unterhalten und übersetzte mir dann das Gesprochene. Eiskalt lief es mir über den Rücken. Bei einem Transport aus dem Elsaß hatten sie 1200 Tote ausgeladen. Von 5000 Menschen 1200 tot. Der Kamin des Verbrennungsofens qualmte Tag und Nacht.
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