sein sollten, zugeworfen. Die Stücke stammten zweifelsohne aus einer der vielen Nazisammlungen und hatten inzwischen vielen Unglücklichen vor uns als Bekleidung gedient. Es wurde nichts angepaẞt, dreckig, speckig und stinkend wurden uns die einzelnen Stücke zugeworfen und hatte damit sich jeder abzufinden, wie er mit diesem Räuberzivil fertig wurde. Ich hatte Glück, ich bekam eine Reithose. Sie war zwar speckig, wie alles und hatte keine ganze Tasche; aber sehr bald beneideten mich meine Leidensgenossen um dieses ,, Prachtstück". Mit der Joppe hatte ich weniger Glück, sie hatte kein Futter mehr und auch sonst hätten/ Dutzend Katzen keine Maus mehr fangen können.
Das Ganze war ein Bild, das jeden unbeteiligten Zuschauer zum Lachen stimmen mußte; für uns war das eine toternste Angelegenheit. Wie sahen wir denn alle aus? Mein früherer Landtagskollege und nunmehr derzeitiger Bayerischer Arbeitsminister Alb. Roßhaupter, hatte eine Hose, von der das Hinterteil fast vollständig fehlte. Mein Parteifreund Puchta, der frühere Reichstagsabgeordnete in Franken, ein großgewachsener, starker Mann hatte eine Kinderhose erhalten und bemühte sich dieses„ Höschen", mit einem Stück Schnur, passend" zu machen. Ein anderer dagegen hatte eine Hose, die sicher auch Göring gepaßt hätte. Zerlumpt, zerrissen war alles, was man uns zum anziehen gegeben; doch zierte jedes Stück, mit rotem Mennig aufgemalt, die Buchstaben: ,, K.- Z". Zur Vervollständigung unseres Anzuges kam dann noch das wichtigste, die Nr. Sie durfte nicht fehlen und wurde an Hose und Joppe angenäht. Unter die Nr. kam für alle politischen Häftlinge ein Dreieck aus rotem Stoff.
Ich erhielt die Nr. 93002. Die Zahl der Unglücklichen, die bereits vor mir die ,, Nazikultur" in Dachau erleben mußten, näherte sich wiederum der 100000. 1939 mit Beginn des Krieges wurde zum 2. Male mit der Nr. 1 begonnen; so berichteten mir Häftlinge, die bereits 6-8 und mehr Jahre in Dachau schmachteten. So ausgerüstet, barfuß und ohne Kopfbedeckung, wurde dieser Zug des Jammers dann über die breiten, mit Quetschkies bestreuten Lagerstraßen nach Block 17, dem sogenannten Quarantäneblock geführt.
Glaubte ich bis dahin, meine und die Lage meiner Freunde, wäre verzweifelt und bedauernswert, so wurde ich jetzt darüber aufgeklärt, daß sie nicht verglichen werden konnte, mit dem menschlichen Elend, das ich hier im Hofe des Block 17 zu sehen bekam. Auf dem Erdboden umher, lagen im wilden Durcheinander Kinder, Männer und Greise; barfuß, zerlumpt, verdreckt, die meisten zum Skelett abgemagert, den ganzen Körper mit
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