Am nächsten Tage morgens 5 Uhr hieß es: Raus und antreten im Hof. Aus anderen süddeutschen Orten kamen weitere Häft­linge, deren Zahl ständig im wachsen war und die ersten Hundert überschritten hatte. Ein gut genährter SS- Scharführer stand vor uns, es war der Rapportführer des Lagers. Die Arme in die Hüften gestemmt, in grinsendem Tone herrschte er mich an: Na, was bist Du denn? Bist Du ein Pfarrer? Meine Antwort: Nein! Na, was bist Du denn? Meine Antwort: Buchdruckereibesitzer! Soo, Buchdruckereibesitzer bist Du, na was hast Du denn ausge­fressen? Ich gab ihm keine Antwort. Weshalb Du hier bist, will ich wissen? Meine Antwort: Ich weiß es nicht! Aha auch einer von denen, die nicht wissen, warum sie da sind! Na, hoffentlich sind wir recht lange beisammen, vielleicht fällt es Dir dann noch ein! ,, Und was bist denn Du?" wurde mein Nebenmann gefragt. Antwort: Webereibesitzer! Hast natürlich auch nichts ausge­fressen?" Antwort: Nein! Das kann ich mir denken, wir werden euch schon kriegen!"

Dann kam der Befehl: Sachen abliefern! Wir wurden in den sogenannten Schubraum geführt, mußten uns völlig nackt aus­ziehen und alles was wir bei uns hatten abgeben. Nicht einmal ein Taschentuch durften wir behalten. Einer meiner Freunde hatte die Bitte ausgesprochen, ihm die Strümpfe zu belassen. Einer der sogenannten Kapos brüllte ihn an: Mensch so mußt Du anfangen: In 8 Tagen gehst Du durchs Krematorium!" Grin­send stand ein SS- Posten daneben. Nackt ging es dann in den Hof wieder hinaus. Es war noch sehr früh am Tage und sehr kühl. Wie mich selbst, froren auch meine Kameraden. Nach längerem warten und frieren, kamen wir dann in die Kur von jungen Häftlingen. Es waren Polen und Franzosen , die mit Haar­schneidemaschinen ausgerüstet, uns allen die Haare zu schneiden hatten. Haupt- und Barthaare, alles fiel der Schere zum Opfer, auch vor den Geschlechtsteilen wurde nicht Halt gemacht. Deutlich besah ich mir diese alten geschorenen Männer; ich mit meinen 63 Jahren war ja einer der jüngsten unter ihnen und wohl auch einer der rüstigsten. Zahlreiche von diesen Leuten trugen außerdem Prothesen; andere wieder hatten Bruchbänder oder sonstige Bandagen. Im Weltkriege, bei Verteidigung ihres Vater­landes, haben die meisten dieser Leute ihre Körperschäden er­litten. Den Dank erstattete ihnen das III. Reich auf seine ihm eigene Art und Weise in Dachau .

Nach der Prozedur des Haarschneidens bekamen wir unsere ,, neuen Kleider". Von anderen Häftlingen zur Verteilung be­stimmt, wurden uns die alten Lumpen, die Hemd, Hose und Kittel

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