Konstruktiven aus gesehen, waren die
sie
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Herzensnöte.
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nennen wir
Mein liebes Friedelchen! Hattest Du mich jemals aus tiefstem Herzen lieb, so mußte ja eine längere Trennung von mir Deinen halben Tod bedeuten. Und das spricht unzweideutig aus allen Deinen Zeilen. Die schönsten Jahre des Lebens zum Opfer gebracht! Wofür? Das ist eine verhängnisvolle Frage. Der Verstand kann sie beantworten. Er geht an die Beantwortung heran, wie der Arzt mit dem Messer an eine Wunde. Ihn schmerzt der Schnitt nicht, er weiß, daß und wie er vollzogen werden muß. Auch der große Schnitt mußte sein, Friedel! Uns zwar schmerzte er, konnte tödlich sein, vor allem im Herzen. Und nun fragst Du, warum gerade wir? Nein, alle! Alle, auch die, die nicht wollten oder konnten, bekommen die Rechnung vorgelegt. Das beweist jetzt die Geschichte mit Stahl und Eisen. So sagt der Verstand.
Antwortet aber das Gefühl, dann wird es furchtbar. Und glaube etwa nur nicht, daß ich mein Empfinden eingesperrt hätte, während man mich eingesperrt hat. Die Vorstellung Deiner Leiden und Qualen und die eines unschuldigen Kindes, das nicht einmal ahnt, welch ein Anrecht es auf die Liebe, Sorge und Hilfe des Vaters hat. Um alles das und um die Harmonie glücklicher Eltern unwissend betrogen, es wirft mich fast um. Laẞ die knappen Worte meiner Sprache auf Dich wirken, wie sie sind. Genau so denke ich. Nur kann ich nicht alle die Empfindungen und Gedanken, die mich nie loslassen, in Worte kleiden. Wenn Du mich noch liebst, so wirst Du aus den Zeilen alles herauslesen, was ungeschrieben bleibt. Ich bin ja froh, endlich einmal so viel zu Papier bringen zu können und damit wenigstens ein biẞl den Kernpunkt unseres Lebens zu streifen. Das ist hier ein großes Kunststück, weil gefährlich, wie Du weißt. Doch glaube mir bitte, ich fühle und verstehe
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