seherinnen, die meinen Bruder gesehen und natürlich gleich in Erfahrung gebracht hatten, wer dieser Besuch war, nach ihm, der auf Frauen stets große Anziehungs- kraft ausgeübt hatte.
Das ganze Lager nahm teil an so einem Besuch, die Einen in ehrlicher Mitfreude, die Anderen voller Miß- gunst. Und als ich in meiner Freude ihnen sagte, daß für mich doch wohl Aussicht auf Entlassung bestünde, lachten sie mich aus. Wie weh das tat! Ach, und mein Himmel stürzte wieder ein. Aber dennoch standen immer wieder die hoffnungsstarken Worte des Bruders vor mir, und ich hoffte, hoffte, hoffte doch noch!
Untergänge voller Würde...
In den ersten Tagen nach dem Besuch des Bruders war ich zu meiner Arbeit, die angespannteste Aufmerksamkeit erforderte, einfach nicht zu gebrauchen. Ich verabscheute sie mehr als je. Auf eine grüne Wiese hätte ich mich
legen mögen und träumen, träumen.... Warum auch sollte ich mich hier abquälen, meine Gesundheit ruinie- ren? Etwa darum, damit diese Hölleneinrichtung schön glatt und vorschriftsmäßig weiterlaufe? Hätten diese Leute in mein Inneres schauen und meine Gedanken er- raten können, ich wäre augenblicklich standrechtlich er- schossen worden. Aber auch im Konzentrationslager waren die Gedanken frei! ‚Wer kann sie erraten——?" Dieses Lied der Freiheit war auch eines unserer meist- gesungenen Gefangenenlieder. Uns war ja nur noch die Gedankenfreiheit geblieben.
Ich mußte mich zusammenreißen, weiter arbeiten, doch es wollte und wollte nicht recht klappen damit. Halina half mir in diesen Tagen besonders treu. Wir vertraten uns häufig gegenseitig, halfen einander, ohne daß das auffie. Halina war eine gute Kameradin. Weißt du noch, Halina, wie uns einmal ein mitleidiger SS-Mann ein paar Zigaretten gegeben hat? Und wie wir, obwohl
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