Mein Herz stand still. Würde man mich nun auch holen? Ich vernahm das Stöhnen, Schreien, das Aufschlagen des Gummiknüppels und hielt mir die Ohren zu. Es war nicht zum Aushalten. Dazu die unheimliche Finsternis um mich her. Aber ich wurde nicht aufgerufen. Der Kelch ging an mir vorüber. Bei der Austeilung der Stock- hiebe stand, wie mir die geschlagenen Häftlinge erzähl- ten, einer der ekelhaftesten aller Ärzte, der SS-Stand- ortarzt ‚, dabei,— er schlug auch selber— den Puls des armen Opfers zuweilen fühlend. Teilten Aufseherinnen die Stockhiebe aus, dann nahm dieser SS-Arzt ihnen manchmal die Peitsche aus der Hand und schlug selber weiter, um ihnen zu zeigen, daß sie viel gründlicher noch zuschlagen mußten.
Einige Gefangene— ich hatte solche in der Baracke II — ertrugen diese Züchtigungen und Mißhandlungen mannhaft, ja oft schweigend, ohne einen Laut der Klage von sich zu geben. Ich erinnere mich noch daran, wie eine meiner Dirnen, die fünfundzwanzig Stockhiebe er- halten hatte, mir erzählte, der Kommandant habe beim fünfundzwanzigsten Schlag erregt und wütend aus- gerufen:„Schrei doch, du Schwein!” Aber sie blieb stumm. Es schien diesem Ekel besondere Freude und Genugtuung zu bereiten, den geschlagenen Häftling wim- mern und schreien zu hören. Aber viele taten ihm diesen Gefallen nicht. Bestialisch war es, wenn der Gefangene oft selber laut die Schläge mitzählen mußte. Wehe aber, wenn er sich verzählte. Dann ging es wieder von vorn los: Eins, zwei, drei.... fünfundzwanzig.
Viele dieser blutunterlaufenen, wundgeschlagenen, auf- gesprungenen Körper habe ich gesehen. Wie weh mußte das tun! Wie mußte das brennen! Dick aufgequollen waren diese Stellen, wo man die Striemen des Gummi- knüppels noch deutlich sah. Ich habe manches Mal diese Stellen gekühlt und mit Salbe oder Creme eingerieben, um die unerträglichen Schmerzen der Ärmsten ein wenig lindern zu helfen. Creme oder Salbe erbettelte oder „organisierte ich mir gegen Brot von neuen Zugängen, die solche Raritäten noch mit ins Lager brachten. Sonst
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