einmal völlige Cht für

hielt, dafür kann ich dem Himmel nie genug danken. Ich wußte, daß man daheim für mich betete und opferte und dieses Bewußtsein trug mich. Ich war und blieb in Got- tes Liebe und der Treue und dem Gebet meiner Ange- hörigen und Freunde geborgen, wußte ich sie doch alle tief mit mir verbunden in meinem großen Leid.

So lebte ich weiter mit meinen Dirnen, wachte und arbeitete für sie, war ihnen gut, soviel ich es vermochte. Große Verschiedenheiten gab es unter ihnen, die sie doch fast sämtlich dem gleichen Laster anhingen. Eine geringe Zahl der Häftlinge dieses Blockes war alsaso- zial wegen Arbeitsverweigerung in das Konzentrations- lager eingeliefert. In Art, Veranlagung und Benehmen waren sie alle wieder verschieden. Da ist eine, die schwer an ihrem Schicksal trägt, die nach und nach ver- löscht wie ein Kerzenlicht. Und die andern, die immer laut sind, die alles von der leichten Seite nehmen, die sich irgendwie sogar heimisch fühlen in diesem Sodoma und Gomorrha. Sie waren oft dreißig, vierzig, fünfzig, ja bis zu hundertmal und noch mehr vorbestraft, hatten ihr ganzes Leben in Gefängnissen, Arbeitslägern und Zuchthäusern zugebracht und die Jugend in der Für- sorge. Hart und unerbittlich hatte ihr Schicksal sie ge- macht, dazu sehr egoistisch. Sie drehten sich nur um ihre eigne Achse. Hörte ich mir aber oft ihre Lebens- beichten an, die viele von ihnen mir anvertrauten, dann hätte ich diesen armen, verworfenen Menschen gern ZU- gestanden: Ihr könnt ja nicht anders sein! Wäre ich so erzogen worden, in solcher Umgebung ohne den Segen und Schutz eines guten Elternhauses aufgewachsen wie ihr, dann wäre vielleicht auch ich so geworden.... Wenn sie ihrenMoralischen bekamen, der Schmerz über ihr verpfuschtes Leben sie schüttelte, dann fielen sie mir wohl um den Hals und küßten mich ab. Ich nahm es hin und unterdrückte meinen Ekel; denn ich wußte ja, daß Viele mit den scheußlichsten und ansteckendsten Krankheiten behaftet gewesen waren und daß Manche es noch waren. Als eine von ihnen sterbend in meinen Armen lag, gestand sie mir:Wäre nur ein Mensch vor-

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