SEELEN

vermeidliche Kübel, aber sauber geputzt, zwar nur mit einem halben Deckel darauf. Die Wände waren grau ach, so hoffnungslos grau und oben an der Front- seite ein vergittertes Fenster in der Größe von etwa achtzig Zentimetern im Quadrat. Es war zu hoch, selbst, wenn ich mich auf den Schemel stellte, sah ich nichts anderes als das Dach des großen Gerichtsgebäudes. Aber wenn ich mich an den Gittern hinaufzog, was ich später häufig tat, konnte ich auf den kleinen Gefängnishof sehen, sah jenseits der hohen Mauern den hinteren Ein- gang des Gerichtsgebäudes. In der dicken Zellentür be- merkte ich den Spion, der mir schon im Polizeigefängnis aufgefallen war, durch den man vom Flur aus den Häft- ling beobachten konnte. Diese Zelle war etwa vier Schritte lang und sehr schmal.

Nachdem ich mir meine Behausung genau angesehen hatte, kroch ich wieder in mich hinein, und die große Trostlosigkeit meiner Lage quälte mich aufs neue. Ach, all das Weh, das man empfindet, läßt sich nicht wieder- geben! Wie heiß und brennend kann ein Menschenherz aufbegehren. Und dann die Ohnmacht und große Hoff- nungslosigkeit, das wortlose Starren auf die Kerker- mauern.... Lebendig begraben! Zuweilen war kein Fünkchen von Hoffnung mehr in mir. Tiefstes Dunkel umfing mich in den langen, oft völlig schlaflosen Näch- ten. O, wie hätte ich mit geballten Fäusten hämmern mögen an diese Tür, sie aufsprengen, wie hätte ich schreien können, ungezügelt und wild, wie zuweilen an- dere Gefangene aus den Nachbarzellen, die wahre Tob- suchtsanfälle bekamen.

Ja, lang, endlos lang waren die Nächte. Ich sehe noch heute die Fenstergitter langsam im Mondenschein über den grauen Boden dahinkriechen. Dann stand ich oft auf, stellte mich auf den Schemel oder zog mich am Git- ter hoch und betrachtete den unendlichen Sternenhimmel und die stille, geliebte Vaterstadt, die unter seinem Schutze schlief, sah die Türme der mir so fest ans Herz gewachsenen Kirchen, wo ich das allerheiligste Sakra- ment wußte, die große Liebe aller Christen. Ich hatte ja

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