klarem, kaltem Wasser nach diesen letzten vierundzwan- zig Stunden.—
Darnach wurde die Frau vom Wachtmeister aufgefor- dert, die Zelle zu putzen, den Kübel zu entleeren, was sie widerwillig und sehr langsam tat. Ich studierte im Waschraum alle die vielen, vielen Sätzchen und Sprüche und Gedichte, Paragraphen und Zeichen, die dort an den vier Wänden gekritzelt standen, was äußerst lehrreich für mich war. Einige dieser Aussprüche, von Häftlingen als Ausdruck ihres Empfindens und ihrer Gesinnung dort eingekritzelt, will ich hier, da sie zu denken geben, wiederholen:
„Wir wissen, daß nach dieser Not uns leuchtet hell das Morgenrot...“
„Freiheit die ich meine, die mein Herz erfüllt...”
Das Wort„Rache‘ war groß an die Wand gemalt, da- neben ein Herzchen, unbeholfen und eckig, mit dem ge- liebten Namen darin und dem todbringenden Pfeil.——
Oder„Meine Eltern starben beide im Zuchthaus. Auch ich werde dort verrecken. Ich kann nicht anders...“
Diese Hunderte von Aufzeichnungen und Selbstbe- kenntnissen, die ich in dieser Morgenstunde in mich auf- nahm, sprachen für sich, die meisten sprachen von Schuld und Sühne, von Liebe und Haß, von hoffnungs- losen, der Schuld verfallenen Menschenkindern, an denen vielleicht die Liebe vollends versagt hatte.
Gegen neun Uhr wurde ich geholt zu weiterem Ver- hör, wiederum von zwei Beamten der Gestapo . Durch den schmalen Gang, durch die unheimlich dicke, eiserne Gefängnistür ging es hindurch zum Büro der Schutzpoli- zei, die mir Schmuck, Geldbörse, Scherchen usw. wieder aushändigte. Ich empfand stark die Antipathie, die diese reguläre Polizei gegen die Gestapo und ihr ekelhaftes Auftreten hatte, und als gar einer der Gestapoleute mich höhnisch fragte, wie ich denn in meinem„neuen Heim“ geschlafen habe, da merkte ich, wie einer der Polizisten sich soviel Niedertracht gegenüber am liebsten tätlich
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