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,, Also, Sie wollen mich nicht empfangen?" fragte ich ohne Umschweife. Da lachte er, verneinte meine Frage und bestellte mich zum nächsten Nachmittag.
Eine lange Zeit habe ich mit Major Frodien gesprochen. Auf meine wiederholte Bitte, doch den Versuch Deiner Entlassung zu machen, meinte er:
,, Das können wir uns in diesem Fall nicht leisten. Ein Fritz Küster ist und bleibt unser unerbittlicher Gegner Er wird uns seine Loyalität zusichern und könnte auf Grund seiner Überzeugung gar nicht anders handeln, als uns auf Schritt und Tritt zu schaden. Seien Sie froh, daß wir ihn nicht erschossen haben!"
Ich entgegnete mit Bitterkeit: ,, Es läßt sich darüber streiten, ob es humaner ist, einen Mensch durch Haft ohne Ende zu zermürben oder durch einen Schuß zu töten". Hierauf sagte er schnell: ,, Es ist ja keine endlose Haft. Eines Tages wird er entlassen." Mit diesem Bescheid konnte ich gehen.
Eine ,, Vertrauensrätin"
Das Jahr 1935 nahm ein Ende, 1936 begann. Seit zwei Jahren war ich nun in einer nicht idealen, aber doch gesicherten Stellung als Stenotypistin. Es handelte sich um eine angesehene Firma mit vielen Angestellten. Ich hatte mich mit den meisten angefreundet und wußte nichts von einer Feindschaft. Der Chef des Hauses, ein bekannter Mann im Wirtschaftsleben, hatte mich seinerzeit, da ich auf Empfehlung kam, selbst engagiert und gefragt: ,, Sie kommen von der deutschen Friedensbewegung her. Sind Sie auch heute noch Anhänger dieser Idee?" Als ich ein freudiges Ja!" antwortete, meinte er: Das war sehr unklug von Ihnen. Ich dürfte Sie eigentlich nicht engagieren." Da bei drückte er mir herzlich die Hand. Er war seit langem über die Sorgen und Nöte, Dich betreffend, unterrichtet. öfter hatte er ein aufmunterndes Wort für mich, und als einer seiner Herren, der sich selbständig machen wollte, mich eines Tages als Sekretärin zu engagieren wünschte, warnte er mich mit den Worten: ,, Das ist nichts für Sie, der Mann ist Nazi". Im Frühjahr 1936 wurde ich plötzlich zur Vertrauensrätin gerufen. Ein älteres Fräulein, nicht ohne Witz und Verstand, jedoch noch mit Ansprüchen an das Leben, auf die keiner so recht reagieren wollte sie hatte mich als Opfer ausersehen. Niemand machte ihr noch einen Vorwurf daraus, daß sie vor 1933 bei einer russischen Handelsgesellschaft einschließlich KP- Mitgliedschaft tätig war. Sie war ja doch gezwungen" worden, wie sie auch heute wohl ihre vertrauensrätliche Stellung im Hitler- Reich als Zwang darstellen wird.
Sie eröffnete mir, daß die Ehre und das Ansehen des Hauses den weiteren Verbleib einer Angestellten nicht zulasse, die in so enger Beziehung zu einem KZ- Häftling stünde. Auf meine Entgegnung, ich würde die Sache dem Chef unterbreiten, drohte sie, diesem die größ
ten Schwierigkeiten machen zu wollen. ,, Er hat in dieser ganzen Zeit alles gewußt und Sie nicht entfernt. Sie würden ihm nur schaden."
Der Zeitpunkt war gut gewählt. Der Chef war verreist und um alles in der Welt wollte ich ihm nicht Schwierigkeiten bereiten.
Einige Herren schäumten vor Wut über diese Maßnahme. Zwei überzeugte Nazis schlugen meinetwegen den größten Krach, ein Mitglied des Vorstandes war sehr empört und machte keinen Hehl daraus vergeblich. Die Mädels brachten mir eine Sympathiekundgebung in Form eines Hutschenreuther - KaffeeServices und Blumen.
Die ältere Dame stand allein auf weiter Flur, aber sie war unter ein paar hundert Angestellten, unter denen die große Mehrzahl natürlich auch teils garnichts wußte, teils aus Feigheit schwieg, allmächtig.
Grace hat eine Idee
Wie tröstlich, nach diesem Erlebnis wieder nach England gehen und freie Luft atmen zu können!
Ich konnte mich nun geläufig Englisch verständigen und an der Arbeit meiner Freunde verständnisvollen Anteil nehmen.
Grace M. Beaton und Runham Brown haben sich mit mir unermüdlich über alle Möglichkeiten, Dir zu helfen, unterhalten. Dabei blieb es nicht. Grace hatte eine Idee. Die Olympiade Berlin 1936 stand vor der Tür. Sicher würde sich jetzt Hitler Stimmen aus dem Ausland gegenüber willfähriger erweisen als sonst. So arbeitete sie ein Schreiben an Hitler aus, das von allen maßgebenden Persönlichkeiten Englands aus politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Bereich unterschrieben werden sollte. Alle Parteien, alle Konfessionen sollten beteiligt sein. Ein Appell an die Menschlichkeit war beabsichtigt, kein Wort von Politik sollte fallen.
Wie glühten wir für diese Idee! Grace ging sofort ans Werk. Sie schrieb unzählige Briefe bis in die Nacht hinein. Ihr zarter, kränklicher Körper erhielt nicht Schonung, nicht Ruhe. Und die Unterschriften der Verantwortlichen im weiten England kamen ins Haus. Wer hätte je eine solche Autogramm- Sammlung besessen? Ich bat: ,, Laßt auch mich helfen. Laẞt. auch mich Briefe schreiben." Mr. Brown und Grace gaben ihre Zustimmung. Zunächst wählte ich H. G. Wells. Er war uns Deutschen vor allem ein Begriff. Ich schrieb ganz aus Eigenem, in einem Englisch, das nach Grace ursprünglich und nichtenglisch, angeblich aber umso. wirkungsvoller war. Als ich den, Brief verschließen wollte, fiel mir ein, daß unser Freund Kurt B. einst Erzieher der Wells Söhne gewesen war. Kurz entschlossen schrieb ich in einem Nachsatz, daß Kurt B. grüßen lasse. Mein Gewissen war nicht sehr belastet, denn wie gern hätte mir
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