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Sein Begleiter bat mich dringend, sofort an der näch­sten Station das Abteil zu wechseln und am Görlitzer Bahnhof in Berlin schnellstens zu verschwinden. ,, Mein Freund hat eine einflußreiche politische Stel­lung und ist so betrunken zu allem fähig."

Was tat ich? Ich verschwand, und zwar schnell­stens.

Noch eine Begegnung ganz anderer Art hatte ich mit einem ,, Bonzen". Meine damalige Firma, ein Pres­sedienst, war dem Zusammenbruch nahe; ich bewarb mich auf Stellungsangebote. Ein Herr rief an, holte mich nach der Bürozeit mit dem Auto ab, fuhr mit mir zur ,, Alten Klause" und bestellte neben Wein das Beste vom Besten. Er müsse doch erst menschlich einen Eindruck gewinnen. Er sei na, ich habe es

vergessen. Jedenfalls ein hohes Tier im Nazi- Zoo und damals für die Mark Brandenburg tätig. Die Sekre­tärin habe ihn auf Reisen zu begleiten, bei Versamm­lungen zugegen zu sein usw.

fand das komisch, es belustigte mich. Nein, es sei eine ganz und gar beschlossene Sache.

Er zeigte mir noch einmal alle Vorteile einer solchen Stellung auf und schied dann schließlich mit einem Schade!" von mir..

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Alle diese Begebenheiten machten mit das Leben von uns draußen aus. Ich will es dabei belassen, nur die etwas aus dem Rahmen fallenden Dinge zu schildern. Der Nationalsozialismus begann unser Da­sein vom Dienst zur Ruhepause und wieder zum Dienst im ewigen Kreislauf zu beeinflussen. Wir Gleichgesinnten suchten und fanden uns. Wir ,, ro­chen" uns förmlich. In den Büros triumphierten Krie­cherei und Angebertum. Wir andern sabotierten den ,, Deutschen Gruß" mit allmählich ausgeklügelter Kunstfertigkeit: Wie wir uns die Hände drückten und einander zublinzelten. Wie heiser waren wir alle, wenn das Horst Wessel- Lied gefordert wurde. Schon vorher gab es ein Geräuspere und Gekrächze. Ale

Oberstes Gebot sei ihre Ungebundenheit, verpönt diese Bedauernswerten brachten keinen Ton heraus. der Freund, Verlobte oder Gatte.

Ich gestand, einigermaßen verwundert, verlobt zu

sein.

Ob sich das nicht rückgängig machen ließe? Ich

Man könnte unendlich viel hierüber berichten, und ich würde darüber vergessen, daß alles, was ich sagen will, in irgend einem Verhältnis zu Dir stehen soll. Darum zurück nach Oranienburg .

Nach dem 30. Juni 1934

Du hast vom 30. Juni 1934 gesprochen. Als ich am 1. Juli zum Lager kam, sah ich SS - Wachen davor­stehen. Sie erlaubten mir lediglich, Dir das Paket ab­zugeben. Alle Häftlinge waren auf dem Hof ange­

treten.

Da war Erich Mühsam , der am andern Tag nicht mehr leben sollte. Kurz vorher hatte ich seine Frau kennen gelernt.... Abschied von Oranienburg .

Nach einigen Tagen besuchte mich Selig, den man entlassen hatte, und bat, ich möchte für Deine be­schleunigte Entfernung aus dem Lager sorgen, für Überführung ins Gefängnis odgl. Du seist in größter " Lebensgefahr.

An diesem Abend versuchte ich verzweifelt, den Anwalt zu größter Aktivität anzutreiben. Er versprach. alles, aber auch er war ja ohnmächtig und gab bald darauf den Auftrag als aussichtslos zurück. Dieser Anwalt hatte damals die Verteidigung einiger wegen Spionage angeklagter Damen der Aristokratie über­nommen. Als ich in jenen Tagen bei ihm vorsprach, erschütterte mich das völlig veränderte Aussehen die­ses sonst so frischen, jüngeren Mannes. Sein Gesicht war aschgrau, die Augen glanzlos. Auf meine besorgte Frage sagte er, daß er die letzten Stunden vor der Hinrichtung der Frauen miterlebt habe. Es war über seine Kraft gegangen, er schien völlig nieder­gebrochen.

Welch seltsame Wege führte mich mein Wunsch, Dir( und damit mir) zu helfen!

Hatte ich nicht als Redaktionssekretärin im Presse­dienst für einen führenden Stahlhelmer, Heinz, öfter Artikel aufnehmen müssen? Ich hörte jetzt, daß man ihm nach dem 20. Juli 1944 den 12jährigen Sohn erschossen hat. Ich suchte ihn damals in der Redak­tion des..Stahlhelm" auf. Er hörte mich liebenswür­dig an, als ich ihn bat, mir eine Unterredung mit einer hohen Nazi- Persönlichkeit zu vermitteln. Als Ant­wort zog er ein Schubfach auf, darin lag eine Pistole. ,, Sie ist geladen", sagte er ,,, und wenn die Tür auf­geht und eine braune oder andere Nazi- Uniform er­scheint, dann schieße ich. Ich werde mein Leben so teuer wie möglich verkaufen. Wissen Sie nicht, wie-. viele meiner Freunde am Schreibtisch niedergeknallt worden sind?" Er gab mir eine Schilderung des 30. Juni. ,, Wissen Sie nicht, daß in der Gestapo einer des anderen Feind ist? Dort sitzen die Köpfe locker wie noch nie."

Also deswegen hatte der lange SS- Mann im Sturmhelm, der jeden meiner Schritte im Gestapo­Palais begleitete, so höhnisch gelacht, als ich nach diesem oder jenem Sachbearbeiter frågte. Ach, den wollen Sie sprechen?" Kurzes Gelächter. Ebenso beim nächsten Namen. Ich hatte den Kerl für verrückt gehalten!