die ersten Fälle von Typhus festgestellt worden. Auf der Suche nach dem Entstehungsherd gehen die Aerzte nicht fehl, diesen in Buchen wald zu vermuten. Einmal sind Typhusherde immer dort, wo viele Menschen auf engem Raum unter unsanitären Verhältnissen leben müssen. Und dann liegt Buchenwald am Abhange des Berges, von welchem die Abwässer in Richtung der betroffenen Orte talwärts fließen. Die von außerhalb angestellten Ermittlungen ergeben sofort die Richtigkeit der Vermutung. In Buchenwald herrscht Typhus und sicher schon seit längerer Zeit. Wenn das Sterben der Häftlinge immer zielbewußt betrieben wird, so sind die Herren der SS doch sehr empfindsam, wenn etwa ihren wertvollen Leibern Gefahr droht. Und sie müssen ja auch in Buchenwald leben und wohnen. Den Starken entschwindet der Mut.
Mit erstaunlicher Schnelligkeit werden die Absperrungsmaßnahmen durchgeführt, damit die SS nicht mehr in direkte Verbindung mit den Häftlingen kommt. Sogar der Prügelbock kommt nicht mehr zur Geltung. Die Kranken werden auf Typhuserscheinungen untersucht, Impfungen allgemein durchgeführt. Ein neuer Stacheldrahtzaun trennt die Typhusbaracke vom Lager, verhindert jegliche Berührung mit den anderen Häftlingen. Es treten auch Fälle von Ruhr auf. Das Sterben an Typhus ist trotzdem für uns nichts Auffälliges, denn der Tod grinst in dieser Umgebung täglich, stündlich den Einzelnen an. Das ganze Lager riecht nach Chlorkalk.
Unter den zahlreichen Opfern der Typhusepidemie, welche wochenlang wütet, befindet sich auch der bekannte Reichstagsabgeordnete Walter Stöcker . Seine Leiche wird zum Tor getragen, an uns vorbei. Wir stehen still und ziehen unsere Mützen. Nach etwa zweimonatiger Dauer ist der Typhus erloschen. Die tägliche Zahl der Toten wird zunächst geringer. Für die SS ist die Ansteckungsgefahr vorbei. Nun lassen sie wieder ihre Ausrottungsmethoden wirken. Der Steinbruch kommt zur Geltung, das Morden ist recht bald wieder in voller Wirksamkeit.
So mancher gute Kamerad scheidet aus unserem Kreise. Und wo die Lücken entstehen, versuchen wir sie zu füllen, indem wir immer wieder dichter zusammenrücken. Die sich hier kennen lernten, umschlingt ein Band der Kameradschaft, der Freundschaft, welche sich in gegenseitiger Hilfe offenbart, in kleinen und in großen Dingen. Und jeder gute Kamerad hat Kameraden seinesgleichen. Menschen gleicher Ideologie, die sich gegenseitig verstehen, stützen und achten. Und immer muß die Hoffnung uns aufrecht erhalten. Die Hoffnung wird genährt durch die Kameradschaft, durch die Freunde, denen man sich offenbaren kann und mit denen man gemeinsame Gedankenblicke über den Stacheldrahtzaun hinaus, in die Welt da draußen, in die Zukunft wirft. Wir versuchen im Schritt der Zeit mitzumarschieren. Dieser Schritt der Zeit ist am Maßstab der Weltentwicklung
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