werkstatt entfernt, von welcher Stelle die dort arbeitenden Häftlinge die weiteren Vorgänge beobachten können. Mit nicht zu überbietender Roheit werden die Toten von dem Lastwagen heruntergezerrt, auf Steinetragen, die Arme herunterhängend und am Boden schleifend, in den Totenschuppen gebracht. Verschiedene Scharführer äußern sich im Ausdruck ihrer Roheit, während ein einzelner, dem wir den Bei­namen ,, Nigrin" gaben, ohnmächtig strauchelt.

Diese Menschen starben, sie wurden gemordet, weil sie Juden waren, weil ein Irrsinniger im Lande regiert, ein Tyrann als Führer einer irrsinnigen Verbrecherclique. Sie starben, weil diese Irrsinnigen und Verbrecher die Machtmittel des Staates in Händen hatten, eines Staa­tes, dessen Volk ihr erstes Opfer wurde, degradiert zum Sklavenvolk, ohne Recht, ohne Freiheit. In der Abgangsliste des Konzentrations­lagers Buchenwald stehen unter dem 9. November 1939 die Namen der einzelnen Gemordeten mit dem Vermerk" Auf der Flucht er­schossen!"

November, Dezember, Januar sind immer diejenigen Monate, welche den Höchststand im Sterben der Lagerinsassen erreichen. Die Ziffer steigt auf 70- Tote an einzelnen Tagen. Und nur mit wenigen Aus­nahmen läßt der Lagerarzt als Todesursache eintragen: Herzmuskel­schwäche, Blutkreislaufstörung.

Der Januar hat noch eine wirksame Zugabe des Lagerkommandanten Koch. Er läßt uns fünf Tage hungern. ,, Ausrottung und Vernichtung" sagt Hitler , und die Schergen sind nicht verlegen, seine Befehle in die Tat umzusetzen.

Schuld sind die Häftlinge selbst. So sagt wenigstens die Lagerleitung. Grund: In einem Müllhaufen wird ein Stück Schweinekopf gefun­den. Die Lagerleitung motiviert, daß aus dem Schweinebestand des Lagerkommandanten Koch ein Schwein entwendet worden ist. Koch kennt seinen Schweinebestand nicht genau. Es sind wohl 40-60 Stück, die im Lager auf Kosten der Häftlinge gehalten werden. Wutschnaubend verlangt er den Täter, setzt die ganze SS in Be­wegung und verlangt von der Gesamtheit der Häftlinge, einen Häft­ling als Täter festzustellen. ,, Bis zur Feststellung gibt es nichts zu fressen!" ordnet er an. Und so geschieht, daß wir hungern müssen. Einen Tag, zwei, drei, vier, fünf Tage lang.

Höheren Ortes, sagen wir es wäre Berlin , soll am fünften Tag die Anordnung gekommen sein, die Maßnahmen sofort aufzuheben. ,, Ausrotten und vernichten!" sagt Hitler . Sein Bluthund Koch treibt wissenschaftliche Studien in der Richtung der ihm gestellten Aufgabe. Hunderte sind in diesen Tagen gestorben. Und dieses war nach Koch sicher wieder ein Stück vorwärts.

Wir stehen am Beginn des Jahres 1940. Im Lager ist Typhus aus­gebrochen. Außerhalb des Konzentrationslagers, vom Ettersberg tal­wärts in Hottelstedt und weiter abwärts in einem anderen Orte sind

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