unten, läßt im ganzen sieben jüdische Häftlinge vortreten, um sie weiter zu mustern. Einzelne schickt der Scharführer wieder zurück, um an ihrer Stelle andere wieder vortreten zu lassen. Es sieht aus, als ob er würfelt. ,, Du vortreten, du eintreten!" Endlich hat er die sieben beisammen.
Hauptscharführer Blank kommt. Ihm schwillt der Kamm. ,, Das ist meine Sache!" brüllt er seine Spießgesellen an. Demonstrativ zeigt er, daß er mehr zu sagen hat. Und nun beginnt das Spiel von neuem. Er sucht selbst aus unter dem Gesichtspunkte, daß er mehr zu sagen hat als die anderen, die eine Charge weniger besitzen. Er sortiert. ,, Tritt du mal vor und du trittst ein!" Und nachdem er dieses Spiel einige Zeit fortgesetzt hat, kommandiert er: ,, Drei Schritt vortreten!" Von drei Judenbaracken je sieben Häftlinge ausgesucht macht 21. Blank rückt mit diesen 21 Häftlingen zum Lagertor. Dort stehen sie in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen.
Es wird 11 Uhr. Im Lager wird von Mund zu Mund bekannt, daß in München auf Hitler ein Attentat verübt worden sei. Und nun kann man wohl mit einiger Gewißheit den Schluß ziehen, daß für die ausgesuchten 21 jüdischen Häftlinge Lebensgefahr besteht. Sie stehen am Tor und warten auf etwas Ungewisses. Noch einmal ruft eine befehlende Stimme durch den Lautsprecher ins Lager: Häftling Goldschmidt( unter Zufügung seiner Häftlingsnummer) ans Tor." Und nochmal wird er ans Tor gerufen. Von unserem Arbeitsplatz sehen wir den Häftling mit schweren Schritten den ansteigenden Appellplatz hinauf zum Tor gehen. Ein anderer kehrt vom Tor zurück.
Unter den Scharführern ist Bewegung. Die 21 Häftlinge werden zum Lagertor hinausgeführt. Nun warten sie draußen. SS mit Karabinern sind ihre Bedeckung. Es vergeht fast eine Stunde, und dann setzt sich der Zug in Bewegung. Nicht weit am Lagerzaun entlang zieht diese kleine Schar, eskortiert von einer ebenso großen Zahl der kommandierten Mörder. Unsere Augen starren den Kameraden nach. Sie marschieren weiter, zwischen Buchen, weiter Richtung Steinbruch. Einige Scharführer mit umgehängten Karabinern folgen den Todgeweihten. Wir kennen sie und wissen ihre Namen. Ich erkenne unter ihnen den Hauptscharführer Strippel. Wir sehen unsere Kameraden nicht mehr, sie verschwinden hinter den Bäumen. Nun fallen die ersten Schüsse. Und weiter fallen Schüsse. Ein Häftling zählt sie, er zählt 80. Nun wissen wir, was sich draußen im Steinbruch zugetragen hat. Ein feiger gewissenloser Mord, der Massenmord an 21 unserer besten Kameraden.
Stunden sind vergangen. Die Toten sind liegen geblieben, an der Stelle, an der sie erschossen wurden. Man wartet, bis sie erkaltet sind. Auf offenem Lastwagen werden sie dann zur Totenhalle gebracht, in der Nähe des Lagerzaunes, nicht weit von der Schlosser
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