Es ist 6 Uhr abends geworden. Die Scheinwerfer erhellen den Appell­platz. Der Galgen ist gut beleuchtet. Forster, ein junger hochgewach­sener Mensch, wird an die Stufen des Galgens gebracht. Derselbe Staatsanwalt, welcher mit seiner häßlichen Stimme das Todesurteil gegen Bargatzki vorlas, leiert in seinem sächsischen Dialekt das Ur­teil gegen den Todeskandidaten Forster herunter. Genau im Wortlaut wie vor Monaten im Urteil gegen Bargatzki. Und dann vollzieht sich der Akt der Hinrichtung im Scheinwerferlicht. Im Gegensatz zu dem Hinrichtungsvorgang an Bargatzki, den man am Seile hochzog, wird diesmal ein Kasten unter den Füßen Forsters fortgezogen. Er hängt, sein Körper löst nach einigen Sekunden schlangenartige Be­wegungen aus. Nach drei Minuten hat sein Körper ausgependelt. Forster, unser politischer Kamerad, ist tot.

An den Litfaßsäulen in Weimar ist das Plakat des Staatsanwaltes zu lesen, das die Hinrichtung Forsters bekannt gibt, natürlich im Jargon des Staatsanwaltes, eines Bluthundes der Nazi- Staatsgewalt. Für uns bedeutet Forster das menschliche Opfer auf dem Altar des Tyrannen. Der Winter hat seinen Einzug gehalten. Mit dem Eintritt der Kälte wächst die Zahl der Sterbenden. Die durch Hunger, durch Entbeh­rung des Allernotwendigsten, durch unzureichenden Schlaf ausgemer­gelten Menschen vertragen keine Kälte mehr, und so hält der Sensen­mann reiche Ernte. Die Lagerleitung, die SS sind die Schrittmacher des Todes. Die Mißhandlungen an den Häftlingen, die sadistischen Folterungen steigern sich weiter. Immer neue Methoden entstehen. Ihre neueste ist der schwarze Bunker. Als die Fensterscheiben einer Baracke mit Teer gestrichen wurden, verbreitete sich im Lager die Nachricht, ein Kino solle errichtet werden. Wie das Kino des Lager­kommandanten Koch und des Lagerführers Hüttig aussehen würde, erfuhren wir recht bald. Also: Eine Holzbaracke des Häftlingslagers wurde ausgeräumt, so daß ein vollständig leerer Raum entstand. Die Fenster wurden, wie erwähnt, mit Teer gestrichen. Drinnen herrschte Finsternis. 30-40 ausgesuchte Häftlinge wurden in diesen neuen Folterraum gebracht, an denen die Folterwissenschaftler der SS ihre neuen Studien treiben konnten. Die Nahrung wurde gekürzt, eine Ruhegelegenheit war nicht vorhanden, Betten, Bänke und Tische fehl­ten. Die Kälte stieg in diesen Tagen auf 10-15 Grad. Die nur leicht bekleideten Menschen mußten, um warm zu werden, marschieren. In den benachbarten Baracken konnte man auch des Nachts die Marsch­schritte der Häftlinge im schwarzen Bunker hören, und wenn diese verstummten, dann lagen die erschöpften Menschen auf dem Fuß­boden, um zu schlafen, dicht aneinander, um sich zu erwärmen. Alle lagen auf der rechten oder linken Körperseite, um die Wirkung der Körperwärme durch Gedrängtheit der Menschenleiber zu erhöhen. Von Zeit zu Zeit wurde gewechselt und dann kam das selbst gegebene Kommando: Auf die andere Seite legen. So vergingen Wochen. Von

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