Eine zweite öffentliche Hinrichtung wird vorbereitet. Der Galgen steht noch, wartet schon ein halbes Jahr lang auf sein zweites Opfer, den in der Kalweit- Angelegenheit bisher noch flüchtigen und jetzt von der tschechischen Regierung ausgelieferten politischen Häftling Forster.

Wir leben in der Zeit des legalen und illegalen Mordes. Die Jagd­und Bluthunde des Hitler- Regimes wetteifern in ihrem Tatendrang, in der Verfolgung ihrer Opfer und in der Verübung ihrer Verbrechen. Aus der Flucht der beiden Häftlinge Forster und Bargatzki, die ver nunftsmäßig unverrückbar menschliches Recht bedeutet, nimmt der Hitlerismus in seiner Machttrunkenheit für sich den Anspruch, sein Recht auszuüben.

Polizei und Justiz sind in der Verfolgung und in der Henkerarbeit der getreue Fridolin der Bestien, die unser Volk und unser Land regieren.

Vor einem Gericht in Weimar findet die Verhandlung gegen Forster statt. Er weiß nicht, daß der Galgen in Buchenwald schon aufgerich­tet ist und auf ihn wartet. Er weiß nicht, daß schon vorher Zeit und Stunde seiner Hinrichtung festgelegt ist, schon längst vor der Ver­handlung. Er verteidigt sich. Es ist sein letzter Kampf gegen seine Todfeinde, den Hitlerstaat, seine Henker, seine politischen Gegner. Er beugt sich nicht ohne Widerspruch. Er kämpft, indem er sich. verteidigt. Er klagt das Regime, die Justiz, das Unrecht an, er spricht dem Staat das Recht ab, ihm willkürlich die Freiheit zu rauben, über ihn die Schutzhaft zu verhängen, ihn unmenschlich zu behandeln. Er spricht von dem ewigen Recht der Menschen auf Freiheit, und im Kampf um die Freiheit glaubt er, stehe das Recht auf seiner Seite. Aber dort oben, unweit der Goetheeiche steht der Galgen, er wartet ungeduldig auf sein Opfer.

Um 3 Uhr nachmittags soll die Hinrichtung sein, und Forster ist noch nicht eingeliefert. Er kämpft seinen letzten Kampf, er kämpft noch mit leidenschaftlicher Energie seinen letzten Kampf. Doch mor­gen sieht er die Sonne nicht mehr.

Das Tageslicht erlischt. In den Baracken warten die Massen der Häft­linge auf das Kommando: ,, Auf dem Appellplatz antreten!" Jeder weiß, was dieses Antreten für ein besonderes Bewenden hat: Zu­schauer sein bei der Hinrichtung eines Kameraden, der es gewagt hat, sein Recht auf Freiheit gewaltsam zu fordern. Forster hat sein Ziel nicht erreicht, er muß sterben, denn wo es keine Freiheit gibt, da gibt es auch kein Recht. Er muß sterben, und da der Kampf um die per­sönliche Freiheit Auflehnung gegen den bestehenden Staat, die Unter­drückung, gegen das Regime des Irrsinns der Machttrunkenen, gegen das Verbrechen überhaupt bedeutet, dekretiert Hitler: ,, Wegen der Gemeinheit des Verbrechens hat der Tod durch den Strang zu er­folgen."

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