Rudi Opitz . Er arbeitete mit mir und war recht bald mein Freund geworden. Immer wirkte sein Wesen, sein Charakter in der grausamen Umgebung so wohltuend, so lindernd auf seine Kameraden. Er, der kleine jugendliche Mann aus Leipzig , ging den Weg des Todes. Sein Nachtlager war nicht weit von dem meinigen. Ungewollt konnte ich ihn immer wieder beobachten, wenn er, bevor er einschlief und morgens aufwachte, heimlich eine Photographie betrachtete. Es war seine junge Frau und sein Kind, deren Bild er versteckt bei sich trug. Und dieses wurde ihm zum Verhängnis. Niemand durfte eine Photographie besitzen. Als er eines Tages mit dem Kommando zu seinem Arbeitsplatz, der photographischen Abteilung ausrückte, wurde von den Häschern, die ihn am Tor genauer untersuchten, diese Photographie gefunden. Er wurde sofort von seinem Kommando entfernt. Und nun fiel sein Todesurteil. Die Photographie wurde an die Verwaltungsstellen weitergeleitet. Einer der Spürhunde der SS entdeckte, daß diese Photographie etwas stärker als normal sei und meldete diesen Umstand dem Lagerkommandanten. Sie wurde auseinander getrennt. Zwischen Rückwand und dem Bilde fand man eine zweite Photographie, die Aufnahme der Leiche eines bekannten Leipziger Schauspielers, der in bestialischer Weise von der SS umgebracht worden war.
Rudi Opitz wurde nun wochenlang in seiner Arrestzelle gefoltert, um mehr aus ihm herauszuholen. Von meinem Arbeitsplatz sah ich, wie er noch einige Male aus seiner Zelle herausgeholt und auf dem Prügelbock von zwei sattgefütterten Scharführern unmenschlich durchgepeitscht wurde. Sein Schicksalsweg war uns klar. Eines Morgens erfuhren wir, Rudi Opitz ist tot. Er habe sich erhängt. Recht oder Unrecht. ,, Habe ich schon jemandem Unrecht getan?" fragt der Lagerführer Rödl den Lagerältesten, einen Häftling. ,, Nein, Herr Sturmbannführer!" lautet prompt die Antwort. Nun, es gibt kein Recht, mithin auch kein Unrecht. Diese machttrunkene Meute der SS weiß nur eins, daß alles Recht ist, was sie tut. Sie sind die bis zur höchsten Vollendung entwickelten Verbrecher an Hilflosen, Verbrecher von Riesenformat, wähnen im trunkenen Irrsinn im Recht zu sein. Und nur so ist es zu begreifen, was sie tun.
Ich wurde nach Beendigung meiner Gefängnisstrafe wegen Vorbereitung zum Hochverrat im Januar 1938 von Berlin nach dem Konzen trationslager Buchenwald gebracht. Das Lager war einige Monate vorher errichtet worden. Die Zahl der Häftlinge betrug etwa 2000. Meine Häftlingsnummer war 1407.
Und hier beginnt die Zeit, deren Geschehnisse und Eindrücke wohl jeden, der sie erlebte, bis an das Lebensende belasten. Abgesehen von der Zeit in den Händen der Gestapo hatten wir es bei den Gefängnisbeamten immer noch mit Menschen zu tun, oft sogar mit sehr wohlwollenden, die uns sichtlich unser Los zu erleichtern suchten. Ich
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