Die meisten Häftlinge des Lagers kannten Helmut Trinks, ihn, der immer ein aufmunterndes Wort für seine Kameraden hatte, stark im Willen und Charakter, anpassungsfähig an alles, was guten Regungen entsprang.
Er war vor der Nazizeit Führer der sozialistischen Jugend in Sachsen gewesen, und als die Gestapo später in seinem Zimmer eine größere Zahl illegaler Druckschriften fand, da war es um ihn geschehen. Für die Gestapo war die große Zahl der gefundenen Schriften ein herrlicher Fang, denn nun konnten ebenso viele Menschen hinter Schloß und Riegel gebracht werden. Aber nicht ein einziger Name wurde von Helmut Trinks angegeben, trotz der grausamen Folterungen, die an ihm vorgenommen wurden. Er blieb bei der Behauptung, daß er nicht wisse, wie das Paket Flugschriften in sein Zimmer gekommen sei. Der Volksgerichtshof sprach ihn frei. Und dann brachte ihn die Gestapo in das Konzentrationslager Lichtenburg und später nach Buchenwald , vier Jahre lang, bis ihm unverhofft die Tore in die Freiheit geöffnet wurden. Die Bemühungen seines krank gewordenen nervenzerrütteten Vaters hatten endlich Erfolg gehabt. Es war kein Tag vergangen, an dem Helmut Trinks nicht das Bedürfnis zeigte, mit mir, dem wesentlich älteren, einige Worte zu sprechen, und diese Worte wirkten bei mir wie Balsam, wie ein Trunk auf durstige Lippen.
Ein Jahr später habe ich das Lager verlassen können. Es waren dann einige Monate vergangen, als Helmut Trinks plötzlich wieder vor mir stand. Soldat war er geworden. Aus Frankreich zurückgekehrt, in einem Nachbarstädtchen in Garnison , hatte er meine Adresse gefunden. Und nun stand er wieder vor mir, vor meiner Familie, ein Sonnenstrahl in grau empfundener Zeit. Noch einige Male hatten wir die Freude, ihn als Gast bei uns zu sehen. Bei den Unterhaltungen über die entsetzlichen Geschehnisse im Konzentrationslager Buchenwald sagte er, daß nach Beendigung des Krieges und der Nazizeit große Scheinwerfer mit Richtung zum Himmel in immerwährender Tätigkeit der Nachwelt berichten sollten, was dort in einer fluchwürdigen Zeit an der Menschheit geschehen sei. Hunderte von Kilometer weit müsse jeder daran erinnert werden, daß dort auf dem Ettersberg einstmals menschliche Bestien im Riesenformat gehaust hätten.
Helmut Trinks rief noch einmal an, als er sich mit seinem Truppenteil auf dem Bahnhof befand. Er mußte mit nach dem Osten, hoffte, dort recht bald in Gefangenschaft zu kommen. In seinem letzten Brief schrieb er: ,, Seit einigen Tagen fahren wir mit 40 km Geschwindigkeit durch mannshohe Distelfelder, wohin, wissen wir nicht, es sieht aus, als sei es ein Rennen mit dem Tode." Dann kam ein Brief an ihn gerichtet wieder zurück mit dem Vermerk: ,, Für Groß- Deutschland auf dem Felde der Ehre gefallen!"
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