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die Fenster zu öffnen. Der Abort durfte nur in Begleitung eines Polizisten aufgesucht werden. Wennn der Zug irgendwo hielt, um Kohlen oder Wasser aufzunehmen, patrouillierten sofort Polizisten am Zuge entlang. Außer der Dienstpistole hatte jeder noch einen Karabiner oder eine Maschinenpistole. Auch eine ganze Staffel von Polizeihunden war zur Bewachung da. Der Sonderzug hielt meist nur auf Rangierbahnhöfen und fuhr durch die Städte mit erhöhter Geschwindigkeit. Zu essen, zu trinken oder zu rauchen gab es natürlich nichts, und ich konnte es den Polizisten auch nicht entlocken, wohin die Reise ginge. Schließlich plapperte ein Polizist aus, daß Weimar das Endziel sei. Dieses Wissen half mir aber nun nicht viel, denn keiner von den Gefangenen im Abteil hatte eine Ahnung von der Existenz eines Konzentrationslagers bei Weimar . Vom K.-Z. Dachau bei München hatten wir wohl alle schon gehört, und ich war über dieses sehr gut informiert. Kurz vor Beendigung der Fahrt gab es plötzlich Brot, Kaffee und ein Stück sehr salziger Wurst. Da der Zug nun aber in die Bahnhofshalle von Weimar rollte, kam der Kaffee nicht mehr zur Verteilung, und so nahmen wir nur das Brot und die salzige Wurst mit. Durch das Abteilfenster sah ich, daß auf den Bahnsteigen und im ganzen Bahnhofsgelände es von Soldaten wimmelte, die Pistolen, Gewehre, Maschinenpistolen und lange Peitschen bei sich hatten. Ihre khakibraune Uniform hatte ich noch nirgends vorher ge- sehen. Es war dies die Vorkriegsuniform der Totenkopf-SS , die später mit der feldgrauen vertauscht wurde. In meiner Betrach- tung über diese seltsame Uniform kam ich nicht weit, denn wir mußten schnell aus unseren Wagen und auf dem Bahnsteig Aufstellung nehmen. Nun sah ich zum erstenmal in meinem Leben in die Teufelsfratzen der SS -Bluthunde. Wohl der Mutigste mochte bei ihrem Anblick bis ins Innerste seines Herzens er- schauern, und mit bleichen Lippen hörten wir das heisere Schreien und Schimpfen dieser Bestien uns an. Es regnete nun die ersten Kolbenschläge, und die langen, mit Leder überzogenen Stahlpeitschen sausten unbarmherzig über Rücken, Kopf oder Gesicht. Fürwahr, das war ein herzlicher Empfang in der Goethe-