Liebe Christen!

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I.

,, Wende uns zu Dir, o Herr!

Denn wolltest Du uns ganz verwerfen,

so gingest Du in Deinem Zorn gegen uns zu weit." ( Gebet des Propheten Jeremias, Klagelieder 5, 21, 22).

Die Tage des Zusammenbruchs oder, sagen wir, Umbruchs werfen uns von einer seelischen Erschütterung in die andere, so daß wir Mühe haben, noch ruhig und klar zu denken und uns zur christlichen Haltung durchzuringen.

Der lawinenartige und vollständige Zusammenbruch der deutschen Wehrmacht , das schnelle verdemütigende Ende des so stolzen ,, dritten Reiches" mußte die deutsche Seele in ihren Tiefen aufwühlen und förmlich zwingen, nach dem tieferen Sinn dieses merkwürdigen Ge­schehens zu suchen.

Ich zeigte in der letzten Predigt, wie die Menschen seit dem Auf­kommen des Humanismus im 13. Jahrhundert Gott immer mehr aus dem Mittelpunkt des Lebens verdrängten und sich an Seine Stelle setzten. Mit Nietzsche war diese Entwicklung, dieser furchtbare Irrweg, am Endpunkt. ,, Der alte Gott ist tot; es lebe der Übermensch!" So schrie dieser Philosoph in den deutschen Raum hinein und in die ganze Welt hinaus.

Weiter konnte man nicht gehen, als Gott morden und sich an Seine Stelle setzen. Die Frage war nur, wie weit die neue ,, Frohbotschaft" dieses Philosophen bei den Menschen Anhänger finde.

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Da kam das ,, dritte Reich". Solange das deutsche Volk noch frei war und frei oder doch einigermaßen frei wählen konnte, versprach es in der feierlichsten Form, daß es auf dem Boden ,, des positiven Christentums" aufbauen werde*). Je mehr es seine Macht befestigt hatte, desto mehr machte es Nietzsche , der sich selbst als ,, Antichrist"

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*) Vor dem Ermächtigungsgesetz, durch das der Reichstag seine Macht verlor, sagte Hitler als Reichskanzler am 23. März 1933: ,, Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Bekenntnissen die wichtigsten Faktoren zur Erhaltung des Volks­tums." ,, Die Reichsregierung legt den größten Wert darauf, freundschaftliche Beziehungen zum Heiligen Stuhl weiter zu unterhalten und auszugestalten."- ,, Die Rechte der Kirche werden nicht geschmälert und ihre Stellung zum Staat wird nicht geändert."

Ähnlich in der Hamburger Rede vom 17. August 1934, vor der letzten Reichs­präsidentenwahl, durch welche auch die Kontrolle durch einen Reichspräsidenten wegfiel; und endlich in der Koblenzer Rede vom 26. August 1934 vor der Abstimmung über das Saargebiet.

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