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nur führte er sein Tagewerk zu Ende, pausenlos darüber grübelnd:
Wie kam sie nur hierher? Wie war es möglich, den Ort seiner Verschleppung zu erraten? Und wer hatte sie gerade auf die Fahrstraße verwiesen, da doch vorläufig niemand bei ihm zu Hause seinen Aufenthalt wissen konnte? Denn nach Hause schreiben durften die , Roten' ja noch immer nicht!- Aber wahr, wahr bleibt ewig: Liebe ist Feuer, und Feuer zerstört, das ist sein Wesen. Aber so wenig wir ohne die Wärme des Feuers leben können, so wenig können empfängliche Menschen ohne eine Spur von Liebe leben, sei es auch in ihres Daseins niederdrückendsten Umständen!
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Am Abend saß er mit Leo Eichmüller, Stillfried , Franzl und Täubler zusammen und schilderte den Freunden in großen Zügen seine Begegnung am Vormittage; nicht aus Plauderlust etwa, sondern weil es sich ohnehin nicht verbergen ließ, was mit ihm vorgegangen war. Das Erleben hatte sich zu sehr mit der Flammenschrift des Wehs und der Freude in sein Antlitz eingegraben. Bleich und abgemagert saß er zusammengesunken da, greifbar nahe ihr Bildnis vor sich sehend.
Die Freunde lauschten seinem Berichte voll Spannung und auch wohl mit etwas Neid; denn Hunger hatten sie ja alle, einen Hunger nach etwas, das sie über ihr erlebnisarmes Sklavenleben hinaushob, Hunger nach dem unfaẞbar gewordenen, das aus der anderen Welt draußen kam, von der sie auf ungewisse Zeit getrennt blieben; nach dem, was über dem leiblichen Wohlergehen stand.
Und dazu kam der Umschlag in der Witterung. Das Nahen des frühen Winters hier oben legte sich wie dumpfer Trübsinn auf die Stimmung im Lager.... Ein peitschender Wind fegte über die Talsenke dahin und riẞ den Birken und Buchen, die vor dem Fichtenwald auf Wache standen, den gelbrotbraunen Schmuck ab. Dafür hielten ganze Schwärme von Krähen ihren Einzug ins Tal, kreisten mit lautem Krächzen über dem


