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bei der ersten Begegnung aufgefallen. Sein scharfes Raubvogelgesicht paẞte so recht zu den Angaben des Blockschreibers, daß dieser, Daunderer', wie er hieß, in der Welt draußen ein Galgenvogel ersten Ranges gewesen sei und schon in jungen Jahren aus der Anstalt für Zwangserziehung ausgebrochen wäre, um einer der skrupellosesten Zuhälter von Leipzig zu werden. Dann wurde er nach den ersten Zuchthausjahren Leichtmatrose und gefährlicher Messerwetzer in allen Winkeln der Erde, Marodeur in jeder Hafenstadt, um schließlich nach Ver­übung zahlloser Untaten zu seinem ersten Beruf als Zuhälter in seine Heimatstadt zurückzukehren. Die Nazis hatten ihn dann entsprechend seinen vielen Vor­strafen in Sicherheitshaft genommen, in seinem Falle gewiß mit Recht.

Zu der Überzeugung, daß die Maßnahme der Nazis, immer wieder rückfällige Verbrecher, die unverbesserlich die menschliche Gesellschaft heimsuchen, hinter Stachel­draht aufzubewahren und durch anhalten zu Ordnung und Pflichttreue, zu bessern, im Prinzip nicht falsch sei, kam Bert aber erst so richtig, als er beim Abendappell zum ersten Male auf dem kleinen, buckligen Sammelplatz des Lagers stand und dem Zug der heimkehrenden Häft­linge aus dem großen Steinbruche entgegensah.

Bert stand neben Staatsrat Seeger aus Wien in Reih und Glied angetreten, als sein Blick auf die ins Lager ein­ziehenden Männer vom Steinbruch fiel. Erst glaubte er seinen Augen nicht trauen zu dürfen; hernach stieẞ er Seeger erschrocken an und flüsterte: ,, Da sieh dir diese Menschen an, Seeger! Gerechter Himmel, was für eine fürchterliche Gesellschaft wenn wir erst mal so aussehen werden

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Aber Seeger, obwohl selbst stark beeindruckt, tröstet ihn sofort: ,, Sei beruhigt, Oberst, wir werden nie so aus­sehen das sind doch zum großen Teil reguläre Ano­malien, freilich auch ganz ausgereifte Banditen darunter!" Es war nur zu wahr. Die Leute, die jetzt mit lang­samem, fast stampfendem Tritt hereinkamen, schleppten jeder einen wuchtigen Brocken von Granit auf den

7 Conrady, Amokläufer.