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Dicht vor den Blicken der Neuen, die sich umsahen, erhob sich ein halb kahlgeschlagener Hügel, dessen Flanke bis tief ins Innere hinein aufgerissen war... es war der kleine Steinbruch, wie sie erfuhren, im Lager ‚der Ölberg‘ genannt. Nach Osten setzte sich die Anhöhe als flacher Bergrücken fort und endete in einem zweiten, nur wesentlich breiteren Hügel, von dem man gerade noch erkennen konnte, daß auch seine Flanke einen auf- gerissenen Schlund zeigte.wie eine offene Wunde.
Es war der sogenannte große Steinbruch, der die Mehrzahl der Häftlinge von Flossenbürg beschäftigte. Nur ein scharfes Auge konnte noch entdecken, daß über den rosig im Morgenlicht schimmernden Steinfelsen ein Gewimmel blauschwarzer Ameisen wahrzunehmen sei— die arbeitenden Sklaven. Auf dem nahen Ölberg dagegen sah man das Getriebe der emsig sich bewegenden Arbeiter genau. Das Gold der Sonnenstrahlen überzog die störende Verschandelung der Natur mit einem versöhnlichen Glanz.
„Mir ist das alles nicht recht geheuer“, gab Bert zu. „Es kommt mir vor, wie die Ruhe vor dem Sturm— aber vor einem ganz anständigen Sturme, paßt auf!“— „Und ich fürchte‘, verriet der Jugendliche, ‚daß wir bei solch dünner Bergluft einen ganz abnormen Appetit entwickeln werden— oder sagen wir lieber auf gut Deutsch : einen saumäßigen Kohldampf schieben wer- den!“
„Vergeßt auch nicht‘, warnte Leo als alter Lager- insasse,„daß wir hier in einem ausgesprochen ‚grünen‘ Lager sind, wo alle einflußreichen Posten eben von ‚Grünen‘— den Berufsverbrechern— besetzt sein werden. Wir neuen ‚Roten‘ dürften kaum irgendwelche Rolle spielen!‘
Auch Stillfried fiel ein: ‚‚Ihr seht ja schon, was unser edler Blockältester uns vorschreibt— wir dürfen nicht einmal zum Appellplatz herunter gehen, sondern sollen die Blockgasse hier nicht verlassen— und ähnliche Ein- schränkungen werden folgen...“
Der ‚Feldwebel‘, von dem er sprach, war Bert schon


