Ich frage: woher wußte denn die Lagerleitung des KZ. Dachau schon am 1. November, daß in den nächsten Tagen Massenverhaftungen durchgeführt werden, also zu einer Zeit, da vom Rath noch längst am Leben war?

Ich beantworte diese Frage, indem ich annehme, vom Rath, der der Zentrumspartei näher stand wie den Nazis, wurde im Auftrag der Gestapo erledigt, um einen Grund zu schaffen, den Juden ihr Vermögen auf manierliche Weise zu Rüstungs- zwecken abnehmen zu können.

Grünspan wußte nicht, daß seine Hintermänner Agenten des deutschen Geheimdienstes waren, sondern lebte in dem Wahn, eine Tat zu tun für sein gequältes Volk.

Die Nazis aber bewilligten vom Rath ein Staatsbegräbnis, um ihre Tat zu vertuschen.

Im Schatten des Krieges

Inzwischen vergingen die Monate. Die politische Spannung und die Gewalttätigkeiten Hitlers durch die Besetzung der Westgebiete, des Sudetenlandes, Oesterreichs und der Tsche- chei wühlten uns, die wir jedes politische Geschehnis mit größter Aufmerksamkeit verfolgten, bis in den Grund auf. Wir sahen voraus, daß die Politik Hitlers das deutsche Volk unvermeidlich in einen Krieg stürzen würde, in welchem es abermals die ganze Welt zum Feinde haben mußte.

Und so geschah es.

Der Kriegsausbruch kam, er überraschte uns nicht. Dafür aber brachte uns dieser Kriegsausbruch neue Leiden, die un- möglich so beschrieben werden können, wie wir sie zu erdulden hatten.

Nachdem Polen niedergeworfen war, mußte das KZ. Dachau von den Häftlingen geräumt werden. Es wurde der SS. für Zwecke der Ausbildung von Polizeitruppen für Polen zur Ver- fügung gestellt. Alle Juden, asoziale und sonstige Gefangene wurden nach dem KZ. Buchenwald gebracht. Die anwesenden zirka 3000 politischen Gefangenen, ausschließlich Deutsche , wurden in zwei Teile geteilt. 1400 Mann kamen nach dem KZ. Flossenbürg im bayrischen Wald in der Nähe der tsche- chischen Grenze, um dort in Steinbrüchen zu arbeiten; der Rest von 1600 Mann wurde in das KZ. Mauthausen in Oesterreich

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