Weitere Arbeiten zur Geschichte des Verhältnisses von Staat und Kirche in Osteuropa von der Christianisierung bis zurHeiligen Allianz von 1814 folgten. Ein Forschungsstipendium der Notgemein- schaft der deutschen Wissenschaft führte mich für 11/s Jahre nach dem westlichen Zentrum der Slavenwelt Prag . Später konnte ich einige Wochen in Nordrußland verbringen. Seit 1935 war ich wissenschaft- liche Mitarbeiterin einer aus dem Preuß. Geh. Staatsarchiv Berlin- Dahlem hervorgegangenen Publikationsstelle- für Osteuropäische Forschungen.

Ich hatte in den 20er Jahren das teils in Erschöpfung, teils in Verzweiflung, in den inneren Tod hinauslaufende Streben bester deutscher idealistischer Jugend erfahren. In den 30er Jahren sah ich den Zusammenbruch der akademischen Freiheit und Brüderlich- keit in Deutschland . Ich trat der Bekennenden Kirche bei ihrem Zu- sammenschluß 193} mehr aus menschlicher Achtung, als in bewußter Glaubensverbundenheit, bei. Seit 1935 vernahm ich in der Berliner Gemeinde Martin Niemöllers, in deren Bezirk meine Arbeitsstelle lag, Ruf und Beispiel der Nachfolge Christi und der christlichen Bruder- schaft, wonach das tiefste geheime Sehnen meiner Kinderjahre ge- dürstet hatte. Ein Eintritt in eine Parteiorganisation aber schien mir damit unvereinbar. Der Tod meines Vaters 1936 führte mich in die aktive Gemeindearbeit und zum theologischen Studium neben meinem Berufsdienst. Nach mehreren kurzen Polizeiverhören, wegen Teilnahme an der 1937 verbotenen Kirchlichen Hochschule in Berlin und wegen Übersendung von Liebesgabenpaketen an deutsch -jüdische Evakuierte in Polen , wurde ich nach einem halben Jahr systematischer Bespitzelung im Herbst 1943 durch die Geh. Staatspolizei verhaftet. Nach mehrtägigem Verhör und zweimonatiger Einzelhaft, ohne Be- kanntgabe der Ursache gegenüber meinen Angehörigen und Vorge- setzten und ohne Zulassung eines ordentlichen Gerichtsverfahrens, er- hielt ich denSchutzhaftbefehl wegenJudenbegünstigung, der mich nach einem halben Jahr. Berliner Einzelhaft in das zentrale deutsche Frauen- Konzentrationslager Ravensbrück bei Neustrelitz brachte. Meiner alten Mutter hatte ich gelegentlich gesagt, daß unsere kirchliche Arbeit, insbesondere die Judenbetreuung, uns in das KZ bringen könnte, obwohl wir uns bemühten, nicht ohne Not gegen die Gesetze zu handeln.Wenn du anderen Menschen in ihrer Not bei- stehst, so wird Gott dir auch helfen, wenn du in Not kommst, hatte sie mir geantwortet. Die Verbundenheit mit ihr und mit meiner geisti-

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