1. Zurüstung: Das Siegeszeichen. Die erste Hälfte meiner unbefristeten Einzelhaft im Berliner Polizeigefängnis war vorüber. Einmal in diesen Monaten bin ich„ins Freie“, auf den steinernen Ge- fängnishof geführt worden; zweimal wurde ich zu einem viertelstün- digen Besuch eines Kriegsurlaubers in das Zimmer des Kommissars geholt. Im übrigen blieb ich, ohne andere als knapp bemessene schrift- liche Verbindung mit den Angehörigen und ohne Rechtsbeistand, auf diese kleine nackte graue Zelle angewiesen, die mir fünf mäßige Schritte geradeaus und einen halben nach der Seite gestattete. Und meine Berührung mit der Außenwelt hat sich manchen lieben Tag darauf beschränkt, daß ich dreimal„Danke schön“ sagte, wenn früh, mittags und abends die Zellentür klirrend aufgestoßen und das Essen oder der Wassereimer mit dem Scheuertuch auf die Schwelle gesetzt wurde. Ein halbes Jahr also ohne Menschen noch Tätigkeit— sollte ich es im besten Falle als verloren abbuchen? Aber heißen„Zellen“ nicht auch die Mönchsklausen, in deren Mauern Menschen in tiefster Einsamkeit um die letzte, unantastbare Freiheit des Menschen, um die Begegnung mit Gott, ringen? Erzählen deutsche Märchen nicht von dem Mädchen, dem Königskind, das in den Turm verbannt, von Dor- nenhecken umsponnen, von dem kühnen Königssohn gesucht und ge- funden wurde? Blieben mir nicht. die sehnsüchtig hingestreckte zimt- farbene Wolke, im letzten Abendsonnenstrahl erglühend, oder ein funkelndes Sternlein zur Nacht, die mich aus hoher himmlischer Frei- heit durch das Gätterfensterchen grüßten? So pfiff ich mir, wenn die Sehnsucht nach den geliebten Menschen in der weiten Welt und nach der geliebten, inmitten all der Verwirrung und Not und Schuld der Gegenwart drängenden Arbeit mein Herz beklemmen wollte, die ein- fältig-innige Volksweise:
„Wenn ich ein Vöglein wär— und auch zwei Flüglein hätt’— flög ich zu Dir!
Weil’s aber nicht kann sein,— weil’s aber nicht kann sein— bleib ich allhier.“


