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ein sie mochte jammervolle Bilder auf ihrem Rundgang zu sehen bekommen haben und fragte erstaunt, ob ich heute fröhlich sein könne? Die Aufseherinnen waren angehalten, falls nicht zwingende Gründe vorlagen, nur bis an die Schwelle der Zellen zu treten und nur das Nötigste mit uns zu sprechen. Man fühlte sich ihrer, die vielfach nur durch den Zwang der Kriegsdienstverpflichtung in diesen Beruf hineingeraten waren, keineswegs sicher und suchte sie von der Be­rührung mit den politischen Gefangenen und von der Einsicht in die Hintergründe des Systems möglichst fern zu halten. Aber heute war sie als einzige Wachperson übriggeblieben, der Direktor nicht im Hause. Und sie schien trostbedürftig. Ich sagte ihr, ich hätte etwas Wundervolles gelesen, und das Herz sei mir warm geworden. Sie schaute fragend auf die aufgeschlagene Bibel auf meiner Pritsche. Ich zeigte ihr, was ich soeben gelesen hatte, die Worte des vielverfolgten Apostels an die Gemeinde in Korinth : In allen Dingen beweisen wir uns als die Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Aufruhren, in Arbeit, in Wachen, in Fasten. durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte: als die Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekann­ten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht ertötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts innehaben und die doch alles haben"( 2. Kor. 6, 4-5, 8-10). Die schlichte blonde junge Frau sah mich erstaunt an: Ich wußte nicht, daß so etwas in der Bibel steht. Schade, daß ich weiter muß." In der Zelle kann man doch bald nicht mehr lesen. Aber da draußen haben Sie Licht. Wenn Sie wollen, nehmen Sie das Buch mit. Sie können es mir ja morgen zurückgeben." Am nächsten Morgen stieß sie kurz hervor: sie hätte noch lange im Gefängnis und später zu Hause in ihrer eigenen Bibel weitergelesen. Sie danke mir. ,, Als die Armen, die doch viele reich machen"; ich brauchte nicht nach dem Sinn dieses widersinnigen Wortes zu fragen.

Eine andere Gefängnisaufseherin sprach einen bewegten Dank aus, als mit ihrer Hilfe etwas warme Wäsche an ein jüdisches junges Mäd­chen weitergeleitet wurde, das in seiner leichten Sommerkleidung kör­perlich und seelisch zu erstarren drohte. ,, Mir ist es ja streng verboten, den Gefangenen etwas zu geben", stieß sie hervor.. Ob es ihr erlaubt war, es weiter zu geben? O brüchiges kurzsichtiges Menschentum! Hätte ich diese Wachtmeisterinnen, mit denen ein Kontakt sich

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