sich nervös den Rock ab oder fuhr unentwegt über die Ärmel, als sei dort irgendein Staub; dann räusperte sie sich lange und strich sich fort­gesetzt Haare aus der Stirn, wo gar keine waren, bevor sie einen Satz formulierte. Manchmal aber starrte sie minutenlang versunken aus dem Fenster und vergaß, einen begonnenen Satz zu Ende zu sprechen. Die meisten Aufseherinnen fertigte sie mit betont hochmütigen Gesten ab, immer krampfhaft bemüht, es zu keinen Vertraulichkeiten kommen zu lassen. Bei einigen aber, die ihr sympathisch zu sein schienen, vergaß sie alle Distanz und sprach ungehemmt von ihrem Haß und Widerwillen gegen die Gesamtheit der SS - Lagerleitung. Auch meine Gegenwart, ich war doch schließlich ein Häftling, hinderte sie keineswegs daran. Bei den einer Gelegenheit wollte die Verwaltung", wie das so üblich war, Häftlingen keine Winterkleidung geben. Die Langefeld führte mit dem Leiter, Hauptsturmführer Seitz, ein erregtes Telefongespräch, in dem sie die Aushändigung der Sachen an die Häftlinge verlangte. Nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, wandte sie sich wir waren allein im Zimmer an mich: ,, Man müßte diesen Seitz einmal stundenlang nackt auf der Lagerstraße stehen lassen, damit er weiß, was es bedeutet, zu frieren!" Es konnte gar nicht ausbleiben, daß ich in ganz kurzer Zeit jede Gelegenheit benutzte, um diesen schwankenden Menschen, wo immer es nur möglich war, im Interesse der Häftlinge zu beeinflussen.

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Das begann beim Strafrapport". Die Häftlinge mit Meldungen" standen im Korridor und wurden einzeln in den Büroraum der Oberauf­seherin hereingerufen. Da kam ein armes, verhungertes ,, Schmuckstück" aus dem Strafblock. Die Meldung lautete: X hat eine Kohlrübe ge­stohlen." Die Langefeld verhörte: ,, Haben Sie die Kohlrübe wirklich genommen?!" Unter Schluchzen und Tränen antwortete die Gefragte: ,, Frau Oberaufseherin, ich hab' soon Hunger jehabt." ,, Aber wenn nun alle Kohlrüben stehlen würden, bliebe ja nichts mehr zum Kochen übrig!" ,, Aber Frau Oberaufseherin, ich hab' doch immer solchen schrecklichen Hunger.. Der verhörte" Häftling wurde aus dem Zimmer geschickt, und die Langefeld hatte zu entscheiden: War die Meldung zu recht geschehen oder nicht?" Falls der Häftling nicht zu­gab, wurden Zeugen geholt. Doch dieser Fall mit der Kohlrübe lag ganz klar. Und was erwartete einen solchen ausgemergelten, verhungerten Menschen? Dunkelarrest und eventuell Prügelstrafe. Da wandte ich mich an die Langefeld: ,, Frau Oberaufseherin, ich kenne die X schon aus dem asozialen Block. Die ist in der letzten Zeit völlig heruntergekommen und wird den Bunker nicht überleben. Der ist nur zu helfen, wenn sie bald wieder aus dem Strafblock käme, aber bei einer neuen Meldung ist das doch hoffnungslos." Die Langefeld schwieg und zuckte nervös mit dem Kopf, dann zerriß sie mit einem Ruck die Meldung und warf sie in den Papierkorb..

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Viel leichter wurde mir die Beeinflussung, wenn es sich um russische