reden". Suhren ging nicht sporenklirrend über die Lagerstraße, der schlich abends im Dunkeln hinter den Frauenbaracken entlang und blickte von außen auf das Treiben der Häftlinge in den erleuchteten Blocks. Er erschien plötzlich, auch am Tage, in einem Seitenweg und überraschte die Frauen bei irgendeiner verbotenen Beschäftigung. Ein Spitzel und Leisetreter. Seine Leidenschaft aber gehörte dem Bauen von neuen Zäunen und Absperrungen. Das trug ihm den Namen, der Zaun­könig" ein. Noch ein dritter hatte entscheidende Machtbefugnisse im KZ Ravensbrück , der Hauptsturmführer Seitz. Ihm unterstand die ,, Ver­waltung". Er verfügte u. a., daß man uns schon im April die Winter­kleider und Strümpfe nahm und ließ uns bis zum September barfuß laufen.

21. IN DER SCHREIBSTUBE DES LAGERS

DIE OBERAUFSEHERIN LANGEFELD

Als ich in der Schreibstube zu arbeiten begonnen hatte, erfuhr der Ingenieur Grade schon am nächsten Tage davon und beschwerte sich beim Schutzhaftlagerführer Bräuning. Bei der darauffolgenden Ausein­andersetzung mit der Oberaufseherin Langefeld konnte es nicht aus­bleiben, daß Bräuning feststellte, wer diese Buber eigentlich sei, denn er hatte ja kurz vorher meine ,, interessanten" Akten gelesen. Diese Tat­sache sollte sowohl für die Langefeld als auch für mich sehr unangenehme Folgen haben.

Aus der Schreibstube kam ich nach kurzer Zeit als Sekretärin zur Oberaufseherin Langefeld. Worin bestanden nun die Funktionen einer Oberaufseherin? Sie war die eigentliche Vorgesetzte des Häftlingslagers, die die Befehle des SS - Kommandanten Suhren und des SS - Schutzhaft­lagerführers Bräuning durchführte. Ihr unterstanden die SS - Rapport­führerin und die SS- Aufseherinnen, die sie den Arbeitskolonnen zuzu­teilen hatte und unter denen sie die Blockleiterinnen auswählte. Ferner war sie der Kommandantur gegenüber verantwortlich für die ,, Stimmig­keit" des Zählappells, und solange der Arbeitseinsatz" nicht selbständig wurde, auch für die ,, ordnungsgemäße Abwicklung" des Arbeitsappells. Alle gegen Häftlinge erlassenen ,, Meldungen" sowohl im Lager als während der Arbeit in den Kolonnen wurden von den Aufseherinnen der Langefeld übergeben. Wöchentlich einmal fand im Zimmer der Ober­aufseherin ein, Strafrapport" statt. Sie verhörte die gerufenen Häft­linge und hatte zu entscheiden, ob eine, Meldung" zu recht oder unrecht erfolgt war. Von ihr hing es ab, ob die ,, Meldung" an den Kommandanten weitergeleitet wurde oder nicht und von ihrer Formulierung auch in vielen Fällen das vom Lagerkommandanten verhängte Strafmaß, das dann auf der sogenannten ,, Strafverfügung", einem mit allen bürokra­tischen Finessen ausgeschriebenen Urteil, mit dem Namenszug des Kom­

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