, Merkwürdige Methoden', dachte ich bei mir. Die Oberaufseherin hat nicht die Befugnis, sich an den Leiter des Arbeitseinsatzes" zu wenden und einen Häftling als Arbeitskraft zu verlangen. Noch war mir die gespannte Rivalität zwischen den einzelnen SS - Stellen im KZ unbekannt.
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Ich genoß diesen auf so sonderbare Weise geschenkten ,, Innendienst". Während dieser Zeit kam eines Vormittags die Aufseherin Laurenzen und forderte mich auf ,,, nach vorn" zu kommen. Ich fragte neugierig, zu wem sie mich bringen sollte. Das einzige, was sie sagte, war: ,, Machen Sie sich aber ein bißchen hübsch.". ,, Habe ich etwa Besuch?!" ,, Davon weiß ich nichts."- Sie führte mich zum Lagertor hinaus zur Kommandantur, und nachdem sie sich in einem der Zimmer gemeldet hatte, standen wir wartend vor der Tür. Besuch war im KZ Ravensbrück eigentlich nicht gestattet, aber manchen Verwandten gelang es unter Angabe gewichtiger Gründe, bei der Gestapo eine Besuchserlaubnis durchzusetzen.
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Hinter dem Schreibtisch saß der Schutzhaftlagerführer Bräuning, von einem Besuch war keine Spur. Vor ihm lag ein aufgeschlagener Aktendeckel, und nachdem ich mich gemeldet hatte, blätterte er darin herum und musterte mich von Zeit zu Zeit. Sie waren also die Braut von Heinz Neumann ?" bemerkte er lesend,„ ,, und haben in den Kreisen um Stalin verkehrt?" ,, Nein!", Halten Sie den Mund, ich habe Sie nicht gefragt! So, und dieser Herr Dimitroff hat auch bei Ihnen gewohnt!" Er las weiter, klappte dann die Akten zu und sagte: ,, Sie glauben doch wohl nicht etwa, daß Sie mit einer Entlassung rechnen können? Ich habe mir mal Ihre Akten kommen lassen, weil mich das interessiert hat. Sie können gehen!" Die Aufseherin führte mich zurück ins Lager, und ich zerbrach mir den Kopf, durch welchen unglückseligen Umstand man auf meine Akten gekommen sein mochte, denn nichts war gefährlicher, als der Lagerleitung aufgefallen zu sein. Erst nach der Befreiung im Jahre 1945 erfuhr ich, daß mein Schwager Bernhard sich damals einfach auf die Eisenbahn gesetzt hatte, nach Ravensbrück gefahren war und ohne Hindernis bis zur Kommandantur des Lagers vordrang, wo man zwar seinen Wunsch, mich zu sehen, entgegennahm, ihn aber höflich hinauskomplimentierte. Als Folge ,, interessierte" sich Bräuning für meine Akten. Er war Schutzhaftlagerführer und seiner SS - Charge nach Sturmbannführer und verkörperte den vollendeten Typ eines SS- Gangsters. Sein verlebtes, graues Gesicht schien zu phosphoreszieren. Er liebte es, auf Lagerplatz und-straße mit großen Gesten zu posieren. Einmal tat er den Ausspruch: ,, Von den Politischen kommt mir keine je lebend heraus, und wenn ich sie eigenhändig mit dem Revolver niederknallen müßte!" Ganz anders sein Vorgesetzter, der Lagerkommandant, SS- Hauptsturmführer Suhren. Nach seinem Vorgänger, dem sadistischen, schreckeinflößenden Kommandanten Kögel, konnten die Frauenhäftlinge den ,, Neuen" nicht genug loben. Der war ,, höflich", und mit dem ließ sich
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