Ultimatum: sie habe sich zu entscheiden zwischen der tschechischen Gemeinschaft im Konzentrationslager Ravensbrück und der deutschen Trotzkistin, Grete Buber . Und sie traf ihre Wahl. Das hat ihr den Haẞ der Stalinistinnen durch vier Jahre ihres Lagerdaseins eingetragen. Solange sie bei Kräften, war, konnte sie zurückschlagen, wenn man sie attackierte, aber als sie kränker wurde, litt sie unsäglich unter diesen Verfolgungen. Als Häftling ist man gezwungen, Tag und Stunde den gleichen Raum auch mit seinen Feinden zu teilen. Ach, welche Möglichkeiten zu kleinlicher Grausamkeit bot das Leben im Konzentrationslager. Am wenigstens verziehen ihr unsere Feindinnen ihre politische Überlegenheit und Kompromißlosigkeit. Das Lager war ständig voller optimistischer Gerüchte. Von 1940 an endete der Krieg in jedem Vierteljahr einmal, brach alle paar Wochen irgendwo eine Revolution aus und wurde Hitler unzählige Male umgebracht. Wenn man Milena solche Geschichten auftischte, zerfetzte sie erbarmungslos alle Illusionen. Aber mehr, als 1941 Hitler die Russen angriff und nicht nur die Stalinistinnen, sondern viele der Politischen aller Nationen in prorussische Begeisterung verfielen, zeichnete sie ihnen ein Bild von dem, was Europa unter Stalins Herrschaft zu erwarten habe. Milena sagte prophetisch voraus, was dann 1945 eintrat. Auch ich habe mit ihr gestritten und nie glauben wollen, daß man die Russen so weit nach Westen wird vordringen lassen.
25
Wenn wir lebend herauskommen, werde ich vielleicht nicht nach Prag zurückkehren können. Wie fliehen wir nur vor den Russen?" war oft ihre angst volle Frage. Welche Fluchtpläne habe ich nicht geschmiedet und was nicht alles ersonnen, um sie zu trösten. Ihre Sorge war nur zu berechtigt. Die Stalinistinnen verbreiteten im Lager, daß wir beide, wenn die Russen nach Ravensbrück kämen, entweder an die Wand gestellt würden oder nach Sibirien kämen. Und sie hätten nicht gezögert, es durchzuführen. Manchmal in meiner düstersten Verzweiflung nach Milenas Tod, als die Russen immer näher kamen, habe ich für die Gnade gedankt, daß Milena in einem Bett sterben durfte.
Milena wurde nie ein ,, Häftling", sie konnte nicht abstumpfen und brutal werden, wie so viele andere. Sie sah alles Furchtbare um sich und verzweifelte, weil es keine Möglichkeit gab zu helfen.
Sie saẞ bei der Arbeit im gleichen Raum mit mehreren Stalinistinnen und hörte stündlich deren Gespräche. Es war ihr nicht möglich zu schweigen. Sie war ein kämpferischer Mensch. Sie hörte nicht auf, gegen das verlogene Gewäsch von Kollektivismus, proletarischer Demokratie, sozialistischer Freiheit usw. mit der ihr eigenen Schärfe zu polemisieren. Und das verzieh man ihr nicht. Es gab im Revier einige deutsche Kommunistinnen, die arbeiteten mit Feuereifer und Pedanterie für die SS- Ärzteschaft. Milena verhöhnte sie. Politische im KZ, deren Aufgabe es gewesen wäre zu sabotieren, wo sie nur konnten, brüsteten sich Milena
213


