und Kögel:„ Aber selbstverständlich." Ich faßte mit versagendem Herzen den Griff der ersten Toilettentür in der Erwartung, sie sei abgesperrt und alle übrigen auch und verberge fünf bis sechs Versteckte. Aber oh Wunder! Das erste Klo war leer. Der neugierige Zivilist zog an der Wasserspülung, sie rauschte vorschriftsmäßig, und er ging mit befriedigtem Gesicht von dannen. Ich aber sank auf einen Schemel, mein Herz wollte streiken. Dieser an der Wasserspülung interessierte Besucher war als deutscher Konsul in England gewesen, wie wir später erfuhren, hatte dort in einem Internierungslager gesessen, bis man ihn nach Deutsch land abschob. Ja, das war ein Kulturunterschied zwischen England und Deutschland ! Im englischen Lager hatte die Wasserspülung nie
funktioniert.
Ich erwähnte schon, daß die Oberaufseherin Langefeld die Bibelforscher protegierte, aber deren spezielle Feindin war die zweite Oberaufseherin, Zimmer mit Namen. Die Zimmer war eine Frau zwischen 50 und 60 Jahren, der Typ einer polternden, alten Gefängnisbeamtin, die, wie das Lager erzählte, einen guten Trunk liebte und in ihrer Wohnung, die von Bibelforschern aufgeräumt wurde, unbeschreiblichen Schmutz und Liederlichkeit um sich verbreitete. Die Zimmer kam zu regelmäßigen Blockkontrollen in unsere Baracke, meist als Vorbotin einer baldigen Besichtigung und dann war ihr nichts ordentlich genug und kein Musterbett fand vor ihr Gnade. Jede Gelegenheit ergriff sie, um die Bibelforscher zu beschimpfen: Ihr alten Trutschen, sitzt hier im Lager herum und quatscht über Jehova ! Macht, daß ihr nach Hause kommt zu euren Kindern, und den Männern den Haushalt besorgt, ihr blöden, alten Weiber!" B.belforscher und Zimmer kannten sich seit Jahr und Tag schon aus der Lichtenburg , dem ersten Frauenkonzentrationslager, und wußten, was sie voneinander zu halten hatten.
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Meine Bibelforscher sprachen aber nicht nur von Jehova und dem kommenden goldenen Zeitalter", manchmal erinnerten sie sich auch an ihre zurückgelassenen Kinder oder Männer. Vor allem, wenn am Sonnabend die Post ausgeteilt wurde. Für viele kamen zwar Briefe aus den Konzentrationslagern Buchenwald , Dachau und Sachsenhausen von ihren Männern, die ebenfalls Bibelforscher waren, aber andere erhielten Nachrichten von zu Hause. Da schrieb der Mann von Ella Hempel, der in dem kleinen sächsischen Dorf Kreten mit vier Kindern zurückgeblieben war, jedesmal die gleichen flehenden Bitten, schon seit mehr als zwei Jahren: ,, Meine liebe Ella! Wann kommst Du endlich nach Hause? Die Kinder und ich warten auf Dich jeden Tag. Der Haushalt ist unordentlich, die Kinder haben nicht die rechte Pflege, der Garten und die Landwirtschaft verkommen langsam. Wie kannst Du nur so hartherzig sein und die Deinen im Stich lassen. Das hält der liebe Gott bestimmt nicht für gut..."
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