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Aluminiumschüssel, Becher und Teller auf Hochglanz poliert; in jedem Schrank, fein säuberlich gefaltet, sechs Binden und ein Gürtel mit eingestickter Häftlingsnummer; die Kämme täglich gewaschen, von den Griffen der Schuhbürsten wurde sorgfältig mit Glasscherben jeder dunkle Fleck abgeschabt; kein Fingerabdruck durfte an der Schranktür zu sehen sein. Die Schemel standen weißgescheuert in Reih und Glied, jede schuhtragende Bibelforscherin kannte und befolgte das Verbot, mit den Füßen die Schemelbeine zu berühren, um etwaige Flecken von Schuhwichse zu verhindern. Man verriet mir das Geheimnis der gebohnerten" Tische: mit der scharfen Kante eines Schuhbürstengriffes drückte man Zentimeter für Zentimeter die Platte blank! Die Fenster blitzten und der Fuß-' boden war blütenweiß, da er jeden Tag auf den Knien gescheuert wurde. Aber der eigentliche Höhepunkt waren die Schlafsäle mit ihren je 140 Betten. Brettebene Strohsäcke, schnurgerade, nach den Karos der Bezüge zusammengelegte Decken damit alle die gleiche Breite hatten, wurden die Karos der gemusterten Bettwäsche abgezählt ein Kopfpolster wie das andere gleich scharfkantigen Holzschachteln. Jedes Bett trug ein Schild mit Namen und Nummer. An der Schlafsaaltür hing ein sauber gezeichneter Lagerplan aller Betten, mit jeweiliger Angabe der Häftlingsnummer, damit die kontrollierende Aufseherin ohne Schwierigkeit die Besitzerin eines schlecht gemachten Bettes ausfindig machen konnte. Am Schrank im Tagesraum prangte eine Liste, in der genau aufgeführt wurde, bei welchem. Tisch das letzte Mal die Ausgabe der ,, süßen Suppe", der sonntäglichen ,, Goulasch- Nachkelle", oder der Marmeladenzugabe usw. endete. An der Innenseite jeder Schranktür waren auf Pappkärtchen Namen und Häftlingsnummer der ,, Einwohner " mit Druckbuchstaben in vollendeter Ausführung angebracht, und im Dienstzimmer gab es neben dem Blockbuch Pläne über die Anordnung der Tische im Tagesraum, über den Standort jedes Häftlings beim Zählappell, eine Kartei über die abgesandten und empfangenen Briefe und Listen, Listen ohne Ende. Und über alles das sollte ich nun wachen? Der Gedanke verursachte mir Übelkeit. Was war entsetzlicher, die verlauste Lehmhütte in Burma oder dieser Alptraum von Ordnung?!
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Auf Block 3 begann ich nun ein merkwürdiges Dasein. Bei den Asozialen war jede Minute des Tages mit einer anderen Pflicht und mit neuer Angst ausgefüllt. Bei den Bibelforschern lebte ich wie im Himmel. Der gesamte Blockmechanismus lief ab wie ein Uhrwerk. Morgens, während der Hetze zwischen Wecken und Antreten, hörte man kaum ein lautes Wort. Das Aufstellen zum Zählappell, wobei sich die Block- und Stubenältesten anderer Baracken die Kehle aus dem Halse brüllten, wickelte sich ganz selbstverständlich ab und ebenso alle anderen Verrichtungen, wie Essenausteilen usw. Bei den Bibelforschern wurde meine Hauptaufgabe, das Leben dieser 300 Frauen während ihres Aufenthaltes in der Baracke so angenehm wie nur möglich zu machen, alle Schikanen
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