Laufe von Tagen in einen anderen Menschen verwandelten, wie aus einem bedrückten, duldenden ,,, einfachen" Häftling eine selbstbewußte, kommandierende, anmaßende Herrscherin wurde, die kein Widerwort duldete, sich unterwürfig huldigen ließ, Strafen verhängte und sich ohne Skrupel an dem, was den Häftlingea ihres Blockes zustand, vergriff. Eine solche Blockälteste konnte einigen hundert Menschen das Leben zur Qual machen. Von Bettenbau und ähnlichem erzählte ich schon, aber sie hatte auch das Essen, die Wäsche, die Kleider auszuteilen; welche Möglichkeiten der Bevorzugung kriecherischer, unterwürfiger Elemente, der Bestechung boten sich da, erst gar in den späteren Jahren, als wir Pakete empfangen durften. Manche Blockältesten eigneten sich in Kürze den Wortschatz der SS an, ahmten in Art und Auftreten die Blockleiterin nach, um sich Disziplin zu verschaffen und waren bald nur noch ein ausführendes Organ der Lagerobrigkeit, mit einem Wort„ verhinderte" Aufseherinnen. Das Wort einer bösartigen Blockältesten an die Aufseherin genügte, um Blockstrafen und Meldungen zu verhängen. Eine geschickte und anständige Block älteste hingegen konnte meist in kurzer Zeit den sehr beschränkten SS- Blockleiterinnen ihren Willen aufoktroyieren, sie von Blockkontrollen ablenken und Meldungen verhindern und so wesentlich dazu beitragen, daß die Häftlinge wenigstens in der freien Zeit aufatmen konnten. Ab Anfang 1942, als die sogenannten ,, Krankentransporte" begannen, war es nicht selten in die Hand einer Blockältesten gegeben, über Leben und Tod eines Häftlings ihrer Baracke zu entscheiden. Die Blockältesten wurden von der Lagerobrigkeit aufgefordert, die Frauen mit„ ,, Körperfehlern",„ geistigen Defekten" und die ,, Arbeitsunfähigen" auf eine Liste zu schreiben. Natürlich wurden solche Menschen sehr häufig über das Krankenrevier für die Transporte in den Tod ausgesucht; doch gab es Blockälteste, denen es gelang, Jahre hindurch ihre Alten und Gebrechlichen zu„, verheimlichen" und zu schützen.
Zwischen dem Wecken, das im Sommer zwischen 4 und 25 Uhr morgens, im Winter gegen 6 Uhr geschah, und dem Antreten zum Zählappell waren% Stunden Zeit, in der die Betten gebaut, der Häftling sauber gewaschen, gekämmt und angezogen, der Schrank in vorschriftsmäßiger Ordnung und das ,, Frühstück" eingenommen sein mußte. Das wäre unter normalen Verhältnissen schon eine Kunst, aber nun denke man sich eine Baracke, die von Hunderten von Frauen wimmelt. Da mußte man sich stoßen und drängen, um durch die schmalen Gänge des Schlafsaals in aller Eile zum Waschraum zu gelangen. Dort standen vor jedem Wasserhahn fünf bis sechs Frauen, die einen kämmten sich, die anderen putzten sich die Zähne, die dritten spritzten beim Waschen ihre Umgebung naẞ und die Flüche hagelten nur so. Vor der Toilette standen
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