Sommerkleidung und probierte die Wäsche, die ihre Mutter geschickt
hatte.
Am nächsten Tag ging Melitta nach Moabit zurück, und kurze Zeit danach kam wieder ein Zuzug vom Untersuchungsgefängnis. Eine junge Frau mit kastanienfarbenem Haar und goldbraunen Augen. Sie trug ein grünseidenes Kleid, das ihr wunderhübsch zu Gesicht stand. Aber das schönste an ihr war die Stimme. Als wir eines Abends sangen, stellten Lisa und ich fest, daß wir die gleichen Lieder kannten. Niemals vergesse ich ihre liebliche Stimme, wenn sie sang:..Ich hab' die Nacht geträumet, wohl einen schweren Traum..." Oft weinte sie an den Abenden, und dann erfuhr ich, daß Lisa sich erst vor ein paar Monaten verheiratet hatte und ,, das schlimmste ist, daß mein Mann keine Ahnung hatte von meiner politischen Tätigkeit. Ich wollte ihn nicht damit belasten. Ich arbeitete bei der Post und habe von dort aus illegales kommunistisches Material verschickt. Und jetzt hat mich einer hochgehen lassen. Aus mir wird die Gestapo nichts herauskriegen. Jetzt wird man mich diesem Lumpen gegenüberstellen, um mich kleinzukriegen und auch noch die anderen zu Wenn mich nur mein Mann nicht verläẞt!"
erwischen.
-
Von Lisa erfuhr ich Einzelheiten über den Adlershofer Prozeß, die sie in Moabit erfahren hatte. Von den Adlershofer Frauen verriet als erste Melitta. Sie war noch keine drei Tage in Haft, da begann sie schon. Sie hatte ein Liebesverhältnis mit dem Funktionär Erich gehabt und wußte so über die illegale Arbeit genau Bescheid. Nachdem sie gestanden hatte, stellte man sie sowohl ihrem Mann als auch dem Funktionär Erich gegenüber. Damals erklärten beide noch tapfer, Melittas Aussagen seien erlogen. Aber was konnte ihnen das noch helfen?
Die nächste Aufgabe Melittas war es, die Kaufmannsfrau zu einem Geständnis zu verleiten. Die Gestapo brachte beide in eine Zelle, und nach kurzer Zeit hatte Melitta ganze Arbeit geleistet. Ihr drittes Opfer war die Schneiderin Frieda. Die bekan sie aber erst nach drei Monaten mürbe.
Nach langer Zeit, schon im Konzentrationslager Ravensbrück , war unter den Zugängen eine Adlershoferin, und sie erzählte mir, daß Erich geköpft worden sei, Melitta fünfzehn Jahre und sowohl Frieda als auch die Kaufmannsfrau fünf Jahre Zuchthaus bekommen hätten.
Von der tapferen Lisa hörte ich nie wieder.
Politisch Verhaftete gab es damals im Alex eine ganze Menge. In den Einzelzellen der Frauenabteilung saßen angeblich einige Spioninnen", nur hatte ich keine Gelegenheit, mit ihnen zu sprechen und zwischen diesen Gestapo - ,, Spioninnen " und jenen von der NKWD Vergleiche zu ziehen. Dagegen waren andere sogenannte Politische meine Zellenkameradinnen während dieser fünf Monate. Sowohl bei der NKWD als auch bei der Gestapo gab es den Annahmeparagraphen. Zu Verhaftung
171


