Frieda so sprechen hörte, mußte ich an Grete Sonntag denken. Es war mir, als hätten diese beiden Frauen ein Gesicht. Und die eine verkam in Sibirien , die andere bei der Gestapo .

Wenn mich schon der abonnierte ,, Völkische Beobachter" gewundert hatte, so noch mehr Friedas Bemerkungen beim Lesen der Zeitung: ,, Das ist ganz klar, daß wir den Krieg gewinnen. Mein Sachbearbeiter meint das auch. Schließlich muß man ja auch bedenken, was der Führer alles für uns getan hat! Ohne den hätte mein Mann auch keine Arbeit be­kommen. Ach, warum hat er sich bloß von den Kollegen wieder rein­reißen lassen!" Und nach einer kurzen Pause fragte sie mich: ,, Glauben Sie auch, daß der Krieg bis Weihnachten zu Ende ist?", und ihre flehen­den Augen waren auf mich gerichtet. Vielleicht werden dann die Poli­ tischen amnestiert? Mein Sachbearbeiter glaubt das auch. Wenn mein Mann doch zugeben würde, wo man sowieso schon alles weiß. Dann käme er wenigstens mit einem milden Urteil davon. Ob ich mehr als fünf Jahre kriege?"

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Eine ganze Zeit, nachdem Frieda in das Untersuchungsgefängnis Moabit geschafft worden war, kam die nächste Adlershoferin, die junge, munter plaudernde Melitta, die man zu einer Gegenüberstellung von Moabit nach dem ,, Alex" zurückgebracht hatte.

Melitta hatte mit ihrem Mann und drei kleinen Kindern in Adlers­ hof gelebt. Vor 1933 gehörten sie und ihr Mann der kommunistischen Jugendbewegung an. Der aus dem Ausland gekommene Komintern­funktionär war mit Melittas Mann in Verbindung getreten, und beide hatten die illegale Antikriegsarbeit begonnen. Melitta hatte die Flug­blätter auf Wachsplatten geschrieben, und im Kaufladen der Siedlung Adlershof waren sie auf dem Abziehapparat vervielfältigt worden. Die Kaufmannsfrau und ihr Mann hatten auch daran glauben müssen.

Melitta war das genaue Gegenteil von Frieda. Keine Spur von Ver­zweiflung oder Bedrücktsein: ,, Hoffentlich dauert die Untersuchungshaft nicht so lange, damit es bald zum Prozeß kommt, denn ich werde be­stimmt freigelassen. Um den Erich tut's mir wirklich seid, wenn er doch wenigstens so vernünftig wäre und alles zugäbe. Durch das Leugnen macht er doch seine Lage nur noch schlimmer!"

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Beim Erzählen ging sie in der Zelle hin und her und kämmte sich das Haar. Wer ist denn Erich?" fragte ich. ,, Das ist der Funktionär, der natürlich für alles verantwortlich ist. Wie konnten wir uns auch von dem verführen lassen. Wenn ich herauskomme das habe ich meinem Sachbearbeiter fest versprochen werde ich meine ganze Kraft für den Nationalsozialismus einsetzen."

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Nach der Gegenüberstellung mit Erich war ihre Stimmung etwas gedämpft, aber kurz darauf vertiefte sie sich in ein langes Gespräch über

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