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zu sprechen. Sieben Jahre für kommunistische Betätigung und jetzt hier in Sibirien . Wie kann ein Mensch das nur ertragen? Schon hatten wir die anderen eingeholt. Am Nachmittag kamen alle langsamer vorwärts. ,, Hej, Boris! Hast eine Genossin gefunden?!" rief einer munter zu uns herüber. ,, Das ist ein Grieche", erklärte mir Boris.„ Ein ganz netter Kerl, nur hält er's zu eng mit den Kriminellen und ist in alle Schiebungen verwickelt. Darum sitzt er auch im Strafblock." ,, Sag mal, Boris,
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wo endet eigentlich unser heutiges Pensum, wo ist das Ziel?" fragte ich keuchend. ,, Siehst du da vorn, wo die mit dem weißen Kopftuch sitzt? Das ist Dschura, das kleine Luder, die ist schon fertig. Aber set' dich ein wenig hin. Ich werde zwei Furchen auf einmal machen, bis du dich etwas ausgeruht hast."
Boris hatte noch eine Zivilmütze auf, die trug er schief auf das eine Ohr gezogen. Er war schwarzhaarig und dunkelbraun gebrannt, und wenn er lachte, sah man alle Zähne. Er glich einem französischen Arbeiter, in seiner munteren Art sich zu bewegen. Und während er für mich mitarbeitete, lief ich zurück, um seine Häftlingsjacke und unsere beiden Konservenbüchsen, die am Feldrand lagen, zu holen und zum Ziel zu tragen, das wir ja nun bald erreicht hatten.
Es war noch viel Zeit bis Arbeitsschluß, da saßen wir schon glücklich auf Boris' durchsteppter Häftlingsjacke in der weichen Sonne des Spätnachmittags. Boris drehte für jeden eine Machorka- Zigarette und reichte mir galant die meine, damit ich das Papier selbst anlecke. Auf der warmen Erde tummelten sich schillernde Käfer. Solche Farbenpracht sah ich nur in der Steppe. Da gab es irisierende, ganz goldene und blutrote mit tiefschwarzem, fast geometrischem Muster. ,, Sieh mal, Boris, da drüben scheint ein Wasser zu sein." In einer leichten Bodensenke blühte das Steppengras, es bog sich und wogte im sanften Abendwind wie die Wellen eines großen Sees. Es war so still und friedlich auf dem abendlichen Feld. Alle, die ihr Pensum geschafft hatten, lagen lang hingestreckt in erschöpftem Schlaf.
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Willst du mir nicht weitererzählen? Ich bin so gespannt. Du warst also im Sanatorium. Und dann?". ,, Ja dann, dann haben Genossen aus der illegalen KP mit mir die Verbindung aufgenommen. Das ging ganz leicht da im Sanatorium. Sie machten mir den Vorschlag, ob ich nicht fliehen wolle, sie würden die Flucht organisieren. Und ob ich wollte! Hatte ich doch noch drei Jahre Zuchthaus vor mir und das mit einer kaputten Lunge. Aber vor allem die Aussicht, in die Sowjetunion zu kommen, in das, Vaterland des Weltproletariats', wonach ich mich schon durch Jahre sehnte, ließ mir die Flucht als das höchste Glück erscheinen. Es gelang, man brachte mich über die Grenze. Ich wurde von der Mopr ( Internationale Rote Hilfe ) in Moskau empfangen, man feierte mich und ich erhielt eine Pudjowka( Aufenthaltsschein) für ein Sanatorium in
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