von feuchtem Laub hereindrang. An der Wand hing ein Stalinbild, und hinter dem Schreibtisch saß ein robuster junger Mann mit aufge­krempelten Ärmeln, vierschrötig, mit dem selbstbewußten Gesicht eines beschränkten Menschen.

,, Wie heißen Sie? Setzen Sie sich!" Mein Untersuchungsrichter sprach deutsch mit mir. An der Aussprache erkannte ich den Wolgadeutschen . Ich konnte keine Antwort geben. Die Zunge war wie gelähmt und Mund und Kehle ausgedörrt. Es kamen nur irgendwelche gurgelnden Geräusche heraus. Wenn ich doch eine Zigarette hätte. Da lagen welche auf dem Tisch. Er fragte weiter. So nach fünf Minuten kamen die ersten Töne heraus. Ohne weitere Vorbereitung verlas er die Anklage: ,, Sie sind angeklagt der konterrevolutionären Organisation und Agitation gegen den Sowjetstaat. Was haben Sie dazu zu sagen?"

Was er bloß meint? Wer kann mich denn da denunziert haben? ,, Hören Sie nicht? Sie sollen antworten! Wo und mit welchen Mitteln haben Sie konterrevolutionäre Organisation und Agitation betrieben?!" ,, Niemals!"

,, Sie sind eine unverschämte Lügnerin! Vielleicht überlegen Sie's sich noch mal. Ich habe Zeit! Stehen Sie auf!"

Er zündete sich eine Zigarette an. Wieviel Stunden er mich wohl stehen lassen wird? Manche mußten es drei oder vier Tage aushalten! Der Lichtschein aus dem Fenster fiel auf feuchte Lindenblätter. Wo hatte ich das nur schon einmal gesehen?

,, Haben Sie darüber nachgedacht?" Er hatte die Zigarette noch nicht beendet. ,, Ihr Gedächtnis scheint sehr schwach zu sein!"

,, Ich habe niemals irgendeine feindliche Handlung gegen die Sowjet­ union begangen."

Er schnaufte und polterte: ,, Lügen Sie nicht! Wir wissen genau über Sie Bescheid!"

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, Wann und wo soll ich denn konterrevolutionäre Organisation und Agitation begangen haben?"

,, Das frage ich Sie! Seien Sie nicht so unverschämt! Glauben Sie, wir haben keine Mittel, Sie mürbe zu kriegen? Wenn Sie so weiter leugnen, werde ich Sie monatelang, nein Jahre, in der Zelle sitzen lassen, bis Sie zur Besinnung kommen!" Und schon hatte er auf einen Knopf gedrückt, der an seinem Schreibtisch angebracht war, der Soldat kam herein und führte mich mit Polizeigriff zurück in die stinkende Zelle. Als ich an Käthes Seite krabbelte, lag sie da mit offenen Augen. Auf­geregt hatte sie meine Rückkunft erwartet. Wie gut das war! Ich hätte sie streicheln mögen.

Nach einigen Tagen war ich wieder dran. Es begann das gleiche Spiel. Mein Untersuchungsrichter verlangte Aussagen, und ich bat ihn, mich zu fragen, da ich keine Vorstellung hatte, was eigentlich mit dieser

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