sie in ihrer Verwirrung ihre Schuhe nicht finden, und schon trieb ein strenges ,, Dawaj! Bistreje!"( Los, schneller!) sie zu größerer Eile an. Dabei erwachten dann die meisten anderen Frauen, denn jede fürchtete auch dran zu kommen. Nur hartgesottene, alte Untersuchungshäftlinge drehten sich geärgert auf die andere Seite, um weiterzuschlafen und sich wegzuträumen aus diesem Elend.
Noch schlimmer waren die Stunden nach Mitternacht, wenn die Frauen einzeln von den Verhören zurückkehrten und nun je nach Temperament ihrem Schmerz Ausdruck gaben. Meistens krochen sie nur stumm, mit entgeisterten Gesichtern auf ihre Plätze, lagen dann und schüttelten sich in lautlosem Weinen. Aber manche warfen sich schreiend auf die Bretter, andere bedachten ihren Untersuchungsrichter mit den derbsten Flüchen. Da erinnere ich mich an eine kleine Magere mit roten Haaren. Sie war Köchin von Beruf und hatte sich auf ein Stellenangebot in der ,, Wetschernaja Moskwa"( Abendzeitung) hin bei der Japanischen Botschaft als Köchin gemeldet. Noch bevor sie die Arbeit antrat, wurde sie verhaftet und wegen Spionage angeklagt. Wenn sie nachts vom Verhör zurückkam, schrie und tobte sie verzweifelt, schlug mit den Fäusten gegen die Wand und verwünschte Gott und die Welt. Da erhob sich dann regelmäßig ein Proteststurm unter den Mithäftlingen. Man beschimpfte sie auf die roheste Weise, weil sie die Nachtruhe störté.„, Hysterikerin, wirst du den Mund halten! Sei nicht so undiszipliniert! Wir wollen schlafen! Du bist nicht allein in der Zelle!" So tönte es brutal von allen Seiten.
Nach einiger Zeit war mein Platz nicht mehr neben der ,, Parascha". Mit jedem neuen Zugang rückte ich näher ans Fenster, und bald lag ich zwischen Käthe Schulz und einer russischen Gymnastiklehrerin, zu deren Lieblingsbeschäftigung ein Spiel mit Streichhölzern gehörte, bei dem man erfahren konnte, ob der Weg in die Freiheit führte oder nach Sibirien . Natürlich war auch diese Beschäftigung streng verboten, und ein paarmal mußte ich erleben, wie meine Nachbarin von der Aufseherin, die sie durch den„, Spion" beobachtet hatte, erwischt wurde. Natürlich leugnete die Gymnastiklehrerin ab, gespielt, vielmehr das Schicksal befragt zu haben, aber die NKWD - Aufseherin zählte sorgfältig die Streichhölzer nach, und da es genau einundvierzig waren soviel brauchte man nämlich dazu wurde sie bestraft.
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Die meisten Häftlinge trieben irgendeine unerlaubte Tätigkeit, denn verboten war alles, außer Stillsitzen und Vor- sich- Hindösen. Nähen war verboten, Sprechen, Singen, Laufen... Die beliebteste Beschäftigung war nähen und sticken. Aber für die ganze Zelle gab es am Morgen nur eine Nadel und etwas Faden, und damit durften bloẞ Löcher gestopft und Knöpfe angenäht werden. Wehe, wenn eine beim Nähen eines
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