Henri Barbusse hatte in seinem Testament Alfred Kurella dazu be­stimmt, seinen literarischen Nachlaß zu überarbeiten und herauszugeben. Diese Arbeit mußte selbstverständlich in Paris gemacht werden. Die NKWD verweigerte Alfred Kurella die Ausreise.

Wie sehr die höchste Instanz der Komintern , die durch den Welt­kongreß gewählte ,, Internationale Kontrollkommission der Komintern", eine Unterabteilung der NKWD war, stellte ich erst in der Haft, bei meinen eigenen Verhören fest. Denn mein Untersuchungsrichter brauchte die gleichen Formulierungen, die vorher die IKK gegen Neumann ver­wandt hatte, als er noch in Freiheit war und sie ihn von einer Vorladung zur anderen wie in einer Schraube durch ihre immer robuster werden­den politischen Anschuldigungen für die Verhaftung präparierten. Zu­erst appellierten sie an Neumann als einen ,, Bolschewiken" und ver­langten, er solle zugeben, daß er durch seine parteifeindliche Fraktions­arbeit in der KPD in den Jahren 1931/32 die Schlagkraft der Partei untergraben habe". Er verteidigte sich und gab nicht die gewünschte Erklärung. Bei jeder weiteren Vorladung wurden die Anklagen schwer­wiegender, und zum Schluß erklärte die IKK ,,, Neumann sei schuld am deutschen Faschismus".

Ende 1936 wurde Neumann zu Dimitroff , dem damaligen General­sekretär der Komintern gerufen, der ihm wörtlich erklärte: ,, Ich spreche im Auftrage des Genossen Stalin mit Ihnen. Ich soll den Versuch machen, Sie zu dem neuen Typ eines Bolschewiken umzuerziehen. Zu diesem Zweck mache ich Ihnen den Vorschlag, ein Buch über den VII. Weltkongreß der Komintern zu schreiben, in dem Sie die Richtig­keit seiner politischen Linie beweisen und vor allem Ihre eigenen, schweren politischen Fehler kritisieren."

Neumann hat dieses Buch nicht geschrieben, und die NKWD ver­haftete ihn.

*

In einer Septembernacht, Michailina, die in der letzten Zeit kränkelte, hatte sich schon zu Bett gelegt, erwachten wir plötzlich durch das Getrampel vieler NKWD - Stiefel auf dem Korridor. Mit den Worten: ,, Haben Sie Waffen?" drangen zwei Uniformierte in unser Zimmer ein. Ich erwartete meine Verhaftung und nannte meinen Namen. Noch war ich nicht an der Reihe. Es galt meiner alten Zimmergenossin Michailina. Sie konnte sich vor Erregung nicht ankleiden. Mit zerbrochener Stimme bat sie um Geduld. Man wollte sie sogar daran hindern, ihren Koffer mitzunehmen. In dieser Nacht hatte man alle polnischen hinterbliebenen Frauen verhaftet. Zu ihrem Abtransport ins Gefängnis benutzte die NKWD einen Omnibus. Nach Jahren erfuhr ich zufällig, daß die 60jährige Michailina zu acht Jahren Konzentrationslager verurteilt worden war.

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