Margarete Buber-Neumann will sicher keinesfalls entschuldigen, wenngleich

sie nicht direkt anklagt. Und auch wir wollen nicht entschuldigen oder gar in

‚den schwerwiegenden Fehler verfallen, die furchtbaren Entgleisungen Deutscher

deshalb in milderem Licht zu sehen, weil auch im Osten auf das Entsetlichste gefehlt wurde und wird. Im Gegenteil macht das Ausmaß der KZ-Verbrechen, die auch nach Sibirien reichten, die Trauer über das Geschehene und die Pflicht, es zu verdammen, nur größer. Wir wollen auch nicht ignorieren, was geschah. Aber es scheint uns notwendig, endlich gutes Wollen nicht nur in Worten aus-

zudrücken, sondern mit den Taten in Einklang zu bringen.

Bei den meisten, von denen Margarete Buber-Neumann erzählt, waren die großenIdeen erloschen. Aber in ihrer kleinen verfemten Schicksalsgemein- schaft taten sie Gutes. Ihr Wille zur Hilfe aus der Not der Armen, Leidenden war nicht mehr der einer Partei oder irgendeiner politischen Gruppe, sondern einfach der des Menschen an sich, des Menschen, der sich seines Menschentums bewußt ist und den Ausdruck dieses Bewußtseins als selbstverständliche Pflicht

empfindet.

Der Schriftsteller John Forster sagte einmal:Wenn ich vor der Wahl stünde, meinen Freund vder mein Vaterland zu verraten, ich hoffe, ich wäre tapfer genug, mein Vaterland zu verraten... Liebe und Treue zu einem einzelnen Menschen können dem Staat widerstreiten, und wenn der Fall eintritt, dann sage ich: ich pfeife auf den Staat was wohl bedeuten würde, daß der Staat auf mich pfeift. Diese Äußerung scheint anarchistisch, ist es aber nicht. Sie ist ein notwendiges Bekenntnis zum überragenden Wert der Beziehungen von Mensch zu Mensch, ohne die ein friedvoller Aufbau der Welt unmöglich ist. Achtung vor dem Mitmenschen, vor seiner Würde, Liebe zu ihm das sind die aus- schlaggebenden Forderungen für die Zukunft. Pestalozzi formulierte den Ge- danken knapp und klar: Wir wollen keine Verstaatlichung des Menschen, sondern

eine Vermenschlichung des Staates.

In solchem Sinne werte man das Buch Margarete Buber-Neumanns als einen

Appell an die Menschheit, sich ihrer höchsten Werte bewußt zu werden.

DER VERLAG