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ständlich gemacht und so versucht wurde, einen tiefen Respekt vor der Aufrechterhaltung der Tradition und vor dem Volke zu erwecken, von dem man gelöst war oder sich zu lösen suchte.
Dieser säkulare und erzieherische Anteil der Predigt trat natürlich ganz zurück hinter dem„Ich weiß, daß mein Erlöser lebt“, kurz, hinter der Verkündigung von der Gnade Gottes und der Heilswahrheit.
Neben den für einen Laien vorhandenen theologischen Schwierigkei- ten, die auf der Hand liegen, bot die größte Schwierigkeit, wenn die Predigt sich nicht auf ein bloßes Paraphrasieren des Wortes beschränken sollte, die Zusammensetzung der Gemeinde, auf die bereits hingewiesen ist: Es waren ja nicht nur alle evangelischen Konfessionen, sondern auch alle Stufen der persönlichen Gläubigkeit vertreten. Die Predigt mußte sich einerseits wenden an Menschen, die in rein chiliastischer Einstellung alles Gewicht auf die auf die Gegenwart bezogene Apokalypse legten, an Menschen, die an wörtlichstem Verständnis der Schrift festhielten, an Menschen schlichter Gläubigkeit, andererseits an Menschen, die völlig rationalistisch dachten und bei denen nicht mehr viel übrig blieb als ein bloßer Deismus.
Es galt also den Versuch, gegenüber allen diesen auseinandergehenden und doch durch das gemeinsame Schicksal verbundenen Auffassungen das eine zu bekennen: die Wirklichkeit der Verkündigung. Dazu erschien es in erster Linie notwendig, die eigene dogmatische Einstellung nach Mög- lichkeit zurücktreten zu lassen, sich selbst„einzuklammern“, wenn ver- mieden werden sollte, Widersprüche zu erregen und vom Wort Gottes selbst abzulenken.
Es blieb daher nur möglich, von der Transparenz des Dogmas auszu- gehen und darauf sich zu stützen, daß das Wort Gottes so wirklich, so gewaltig sei, daß der Verstand aller Zeiten und jedes einzelnen sich daran abmühen möge und es bliebe doch als Wirklichkeit die Verkün- digung::„Das Wort sie sollen lassen stehn.“
Mit anderen Worten, die Predigt mußte sich allein auf das Evangelium stellen.
Wie im einzelnen versucht wurde, das zu gestalten, läßt sich nicht mehr darstellen.
Ob und wie weit dieser Versuch gelungen ist? Ein Zeichen dafür, daß es in gewissem Grade vielleicht der Fall war, mag der große Besuch der Predigt sein und die geschlossene Haltung der Gemeinde all die Zeit des bitteren Leides und des Endes so vieler, bis zur Stunde, da die Ge- meinde— im Juni 1945— nach einem letzten Dankgottesdienst sich auflöste und die wenigen am Leben Gebliebenen befreit allmählich wie- der in die Welt zurückkehren konnten.


