Nach seinem Tode ist, einem Wunsch von ihm entsprechend, die Liturgie so geändert worden, daß das Bekenntnis, statt vor der Predigt, vor dem Schlußgebet gesprochen wurde.
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Später wurde der Wunsch, daß auch ein anderer gelegentlich spreche, aus anderen Gründen wieder wach. Es war eine Reihe von protestantischen Holländern, unter ihnen der Pastor Dominé Enker, gekommen. Er war 1933 aus Köln nach Holland ausgewandert, hatte Theologie studiert und hatte bereits als ordinierter Geistlicher, zuletzt in dem jüdischen Konzentrationslager, gewirkt. Es war natürlich, daß ihm- schon mit Hinsicht auf seine Landsleute Gelegenheit zum Predigen gegeben wurde, was er allerdings nur in deutscher Sprache tun durfte. Zugleich erschien es wünschenswert, daß auch mein Freund Stargardt, der so wesentlich und unermüdlich die Leitung der Gemeinde unterstützte, an der Verkündigung sich beteiligte. Es wurde in der letzten Zeit ein regelmäßiger Turnus für die Predigten eingerichtet. Immerhin hielt ich darauf, daß die Leitung fest in meiner Hand bliebe und die Helfer mir nur mit ihrem Rat zur Seite standen
Das erschien notwendig, denn gelegentlich regte sich immer wieder das Bestreben, grundsätzliche organisatorische Maßnahmen durchzusetzen, die schließlich zu einer korporativ geleiteten Gemeinschaft geführt hätten, in der persönliches Geltungsbedürfnis und letztenendes auch sektenmäßige Bestrebungen Raum gewonnen hätten. Das mußte im Interesse der allem voranstehenden inneren und äußeren Geschlossenheit der Gemeinde vermieden werden.
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So sonderbar es erscheint, in dieser rein kommunistisch aufgezogenen Stadt war abgesehen natürlich von den Weisungen der SS. - in Wirklichkeit, wenn es darauf ankam, allein der Wille des ,, Judenältesten" maßgebend. Das zeigte sich besonders deutlich bei dem letzten Judenältesten, Dr. Murmelstein. Er war, früher ein gelehrter Rabbiner, ein ungewöhnlich kluger, organisatorisch begabter und energischer Mann ohne jede Sentimentalität, eine wirkliche Führernatur, der auch bedenkenlos sich als ,, Führer" gerierte. Natürlich war er vielfach angefeindet und nur seine unerfreulichen Seiten wurden in den Vordergrund gestellt. Eine solche Führung war aber wohl durch die Verhältnisse geboten; denn die Menge, um deren Leitung es sich handelte, war völlig ungleichartig, gewaltsam zusammengetrieben, nur zur allmählichen oder vielleicht ganz plötzlichen Vernichtung bestimmt.
Das Zusammenleben hatte daher nur noch den Sinn, das Leben selbst bis zum Ende in äußerer Ordnung zu führen. Die auseinanderstrebenden Kräfte aber wären, weil die zentrale Kraft eines idealen Sinnes der Gemeinschaft fehlte, übermächtig geworden, wenn nicht eine kräftige Hand das Ganze zusammenhielt.
Nicht unähnliche Gedanken trafen auch bei der Glaubensgemeinschaft zu, und es galt, alle Kräfte auf das Glaubensleben zu sammeln und den zerstreuenden Kräften zu widerstehen.
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