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auf Grund dieser Schilder, wenigstens herauszufinden, in welchem der vielen Särge der lag, dem sie die letzte Ehre erweisen wollten. Ein Rabbiner sprach das uralte Totengebet und der Vorsänger- vielfach mit wunderschöner Stimme und Technik die hergebrachten Totenhymnen. Dann wurden die Särge auf Wagen geladen, um sie zu dem außerhalb der Festungsgrenze gelegenen Krematorium zu bringen. Die Leidtragenden durften die wenigen Schritte bis zur Grenze mitgehen.
Die Christen hatten gegen diese Bestattung nach jüdischem Ritus Bedenken. Sie versuchten deshalb, eine Absonderung von den jüdischen Leichenbegängnissen zu erreichen.
Nachdem zunächst immer wieder technische Schwierigkeiten eingewandt wurden, wurden vom Mai 1943 ab die verstorbenen Christen eine halbe Stunde vor der jüdischen Feier aufgebahrt; später wurde dafür eine besondere Halle eingeräumt. Die Versuche, diese Halle einigermaßen würdig herzurichten, waren lange vergeblich. Der Antrag, ein großes Kruzifix und die Inschrift:„ Ego sum resurrectio" ,, Ich bin die Auferstehung" anzubringen, wurde schließlich weitergegeben, aber von der Kommandantur abgelehnt, da das öffentliche Zeigen von christlichen Symbolen nicht gestattet werden könne.
Erst ganz gegen Ende wurde die Halle in einen würdigen Zustand gebracht und mit einem großen, von einem Bildhauer angefertigten Kruzifix, auch mit jener Inschrift, versehen. Auch gelang es, daß die Leichenkarren und die Särge bei der Aufbahrung, statt mit einem Tuche mit dem Davidsstern, mit einem einfachen schwarzen Tuche bedeckt wurden. Natürlich tauchten bei der Ausgestaltung des Gemeindelebens immer wieder große und kleine Schwierigkeiten der mannigfachsten Art auf. So erschien es zunächst unmöglich, zu Weihnachten einen Tannenbaum zu beschaffen und so die große Sehnsucht, das Christfest nach heimatlicher Weise zu feiern, zu befriedigen. Schließlich gestattete die SS. aber doch einen kleinen Baum, der dann von den Frauen liebevoll geschmückt wurde; auch von allen Seiten gespendete Kerzen eine viel begehrte Seltenheit fehlten nicht. Im letzten Jahre wurde der Weihnachtsbaum von dem SS. - Mann, der darüber zu befinden hatte, in zynischer Weise verweigert. Darauf ließ die jüdische Verwaltung erfreulicherweise einen künstlichen Baum mit eingefügten Zweigen und mit bunten elektrischen Lampen für den Gottesdienst herstellen!
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Ja noch mehr, die Verwaltung, oder richtiger der Judenälteste, Dr. Murmelstein, veranstaltete für die christlichen Kinder sogar eine Festvorstellung, bei der ein Kinderchor Weihnachtslieder sang, Kinder ein kleines Märchenspiel aufführten und ein Zauberer ein seinem Beruf entrissener Insasse- seine Künste zeigte.
Großes Entgegenkommen bewies auch die Gesundheits- Verwaltung. Die Seelsorge in den Krankenhäusern war sehr eingeengt, da Besuch nur an wenigen Tagen und für wenige Stunden gestattet und die Seelsorge in dieser kurzen, von vielen Besuchern ausgenutzten Zeit wenig angebracht war. Der Leiter der Gemeinde erhielt daher einen dauernden
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