Das religiöse Leben auf Block 26
Schon August 1940 war in Sachsenhausen nach langwierigen Verhandlungen mit der Reichsregierung für die katholischen Geistlichen eine Kapelle eingerichtet worden. Als nun die Geistlichen nach Dachau kamen, sollte auch hier sofort eine Kapelle gebaut werden. Jedoch die Lagerverwaltung sabotierte anfangs diese Anordnung, bis dann im Jahre 1941, als plötzlich der Besuch Himmlers angesagt war, die Kapelle in vier Stunden erstehen mußte. Aus Kistenbrettern wurde dann rasch ein Altar gezimmert, die Zwischenwand zwischen Wohn- und Schlafstube 1 herausgeholt und so ein Gottesdienstraum geschaffen. Im Laufe der Jahre wurde nun die Kapelle schöner ausgebaut. Ein guter Altar wurde in der Schreinerwerkstelle hergestellt. Ein Kreuz wurde beschafft, und 1943 erhielten wir eine herrliche Madonna aus einem Salesianerkloster. Es war selbstverständlich für uns, die Kapelle stets sauber zu halten und die Altäre mit frischen Blumen zu schmücken. Der Herr Kardinal von Breslau hatte uns 150 Breviere zur Verfügung gestellt, die von den Pfarrern benutzt wurden, die nicht zu einer Tagesarbeit eingeteilt waren. Ferner hatte uns der Herr Prälat Nathan aus Olmütz Gewänder und die anderen zum Gottesdienst nötigen Dinge zugesandt.
Im Anfang durfte nur ein Priester die hl. Messe feiern. Es war dies der für das Lager ernannte Lagerkaplan. Seit September 1942 konnte jeder Priester einmal zelebrieren. Hierbei war aber ausschlaggebend die Länge seiner Inhaftierung oder ein besonderer Anlaß, z. B. Namenstag, Primiz tag, Trauerfall usw. Jeden Morgen vor dem Zählappell fand ein Gottesdienst statt. Deshalb standen wir auf Block 26 stets eine halbe Stunde früher auf als das sonstige Lager. Nach dem katholischen Gottesdienste hielten die evangelischen Pfarrer ihre Morgenandacht. In der hl. Messe gingen alle katholischen Geistlichen zur hl. Kommunion. In der ersten Zeit erhielt jeder, der zur Kapelle kam, eine Hostie. Er hielt sie in seinen Händen während des hl. Opfers. Sie wurde während der hl. Handlung mit konsekriert vom Altar her, und dann gab sich jeder die hl. Kommunion. Da nun öfter durch SSMänner diese Handlung gestört worden war, ging man dazu über, durch vier Herren jeden Morgen die hl. Kommunion aufteilen zu lassen, indem diese durch die einzelnen Reihen gingen. Zwei Geschehnisse seien hier festgehalten: An einem Morgen erschienen zwei SS - Männer, Mütze auf, Reitpeitsche in der Hand und Zigaretten im Munde, in der Kapelle. Der eine nahm einem Geistlichen die Hostie aus der Hand und rief in die Kapelle hinein: ,, Nun habe ich wohl hier euern Christus? Was geschieht mit mir, wenn ich ihn auf die Erde werfe?" Wir schwiegen und beteten still unsere Gebete. Ein anderes Mal kamen SS - Männer durch die Reihen der betenden Priester bis vorn an den Altar. Der Geistliche hatte gerade das hl. Opfer beendet und kam vom Altar. Da schnauzte ihn der SS- Mann an: ,, Nimm deine Knochen zusammen, du Hund, und grüße mich vorschriftsmäßig."
Jeden Sonntag war außer einer stillen Kommunionmesse auch ein feierliches Hochamt. Vor diesem war eine kurze Predigt, die abwechselnd von den Geistlichen gehalten wurde. Nachmittags war eine Andacht oder Komplet.
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