aus allen Gesichtern verschwunden. Dies sind nicht mehr die Gesichter aller Tage, in die man Graubrot stopft und Nudeln, dies ist ein Gesicht überall, das andere Gesicht, mit dem viele sterben würden, das jenseitige Gesicht auf den Schultern einer Näherin, eines Buchhalters, einer Arbeiterin. Viele weinen.

Denn hier tritt ein Ereignis ein, in diesem hohen Raum voller Kerzen, atmender Masse und klopfender Herzen entsteht geisterhaft gewaltig jene Klage aus Klängen, die unsterblich ist, die innerlichste Schöpfung des Christen­tums, die Passion. Die Chöre steigen machtvoll auf, und dann kommt das todesselige, schicksalssüße Violinsolo. Fern gespielt, durch die alte historische Kirche hallend, das Adagio der ewigen Sehnsucht, seidenzart dahinwe­hend der Ton einer Geige, von einem Toten gelenkt, der irgendwo in Leipzig gestorben ist und der jetzt und hier anwesend ist, das himmlischste, unirdischste Genie aller Musik. Er ist da, geisterhaft, in jener über uns dahin­singenden Melodie. Sie blüht aus seinem Herzen, das nicht mehr schlägt, die kostbarste Blüte aller Kultur. Hier über uns entfaltet sie sich, unnennbar schön, rein im Dom ausstrahlend.

Wir Irdischen halten den Atem an, das Jenseits ist über uns. Laẞßt uns das Haupt neigen, ein gestorbenes Herz be­ginnt zu schlagen, das himmlischste Herz der Welt, es singt aus einer Geige Leib, und wir schließen die Augen.

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Ein junger, trotziger Soldat wurde in Zelle 132 einge­liefert. Er kam direkt von der Front und war einundzwan­

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