Aus einem Kassiber:

Moabit , 22.7.43. ... Jetzt ist es ruhig in dem Riesenhaus, in dem es ständig ruft und hallt draußen, zweimal, heut auch:CIV 475! Das bin ich. Eben hab ich auf dem kleinen Klappbrett, das mein Sitz ist, gegessen, es ist nicht Winter wie in Span - dau, das für mich eine furchtbare Erinnerung ist. Wir wa- ren sechsunddreißig Mann auf unserem Flur dort, von de- nen nur vier Freiheitsstrafen erhielten, darunter ich, der Rest die Todesstrafe und keine Begnadigungen. Wir gin- gen im verschneiten, trostlosen Hof in der morgengrauen Frühe spazieren, die Raben krächzten unheilvoll über uns, und es wurden immer mehr Todesurteile, es rückte langsam und unaufhaltsam näher. Trotzdem lachten wir uns an, diese schneeweißen, hageren, harten Gesichter mit dem dampfenden Atem. Und vor Hunger fielen wir fast um, und Gebrüll in diesem trüben Haus, und den ganzen Winter nicht geheizt, nur manchmal von vier bis sechs nachmittags. Die Wärter und ein Tobsüchtiger im 1. Stock, der immer brüllte. Eine Hölle! Mir waren- cher und Schreibzeug weggenommen worden, also saß ich Weihnachten ohne alles in dunkler, kalter Zelle mit Hun- ger. Und trotzdem haben wir gelacht und uns Mut ge- macht.

Walter H. war herrlich, ich habe nie einen so helden- haften Mann gesehen. Er lag zwei Zellen neben mir und schrie aus dem Fenster an einem Sonntag im Januar, ich hörte es nur undeutlich im Wind:Günther... wenn du rauskommst... sag allen... ich wäre fröhlich gestor- ben...

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