dann hieß es: Im Gleichschritt marsch wie im finsteren Frieden, dann: Singen und so sind sie durch die Stadt marschiert.

Die Neustädter standen Spalier, in den Fenstern standen Kaffeekannen, Kuchen haben sie herangeschleppt und gewinkt haben sie. Warum sind wir nicht besser Soldaten geworden? Uns haben sie kaum einen Schluck Wasser gegönnt und haben möglichst die Türen zugeschlossen denn wir haben natürlich nicht gesungen und hatten auch keine verwegenen Mützen auf, sondern waren zerlumpte Vogelscheuchen.

Aber habt ihr gehört gestern im Radio den ersten Empfang der tschechischen KZ-Häftlinge in Prag ? Im Flugzeug sind sie angekommen, man hat sie auf den Schultern nach Hause getragen trotzdem sie zerlumpt waren. Und das ganze Volk hat ihnen zugejubelt. Hat dir schon einmal einer hier zugejubelt, Erwin?

Erwin Geschonnek, einer der wenigen überlebenden politischen Gefangenen, gibt keine Antwort.

Mich aber beschlich eine dumpfe Ahnung, die in wenigen Wochen Wirklichkeit werden wird, wenn wir auf einem Hamburger Amt wie Bettler empfangen und einem Arbeitsamt überwiesen werden, wenn wir in weiteren Wochen wie Landstreicher unser deutsches Vaterland durchziehen und zu Hause von einem wohl- genährten und selbstzufriedenen Amtsarzt argwöhnisch und herablassend begutachtet werden.

Der Traum von den jubelnden Arbeitermassen, von den

wehenden Fahnen und der revolutionären Begeisterung ist ausgeträumt. Max, mein Freund, es war eine Fata morgana, die du damals, vor 10 Jahren, uns vofgezaubert

hast, als du uns prophezeitest, daßam Tage der Freiheit wehn die roten Fahnen draußen!

190